Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

CASTOR ET POLLUX
(Jean-Philippe Rameau)
6. Juni 2014
(Premiere am 11. Mai 2014)

Komische Oper Berlin


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Im Aufruhr der Gefühle

Über dreißig Jahre ist es her, dass eine der drei großen Musikbühnen Berlins mit Hippolyte et Aricie eine Oper von Jean-Philippe Rameau spielte. Das war anno 1979 an der Deutschen Oper, Regie führte der unvergessene Herbert Wernicke. Geplant war ein dreiteiliger Zyklus, doch blieb es beim Auftakt. Danach wurde es in der Hauptstadt still in Sachen Rameau und französischer Barockoper – ganz im Gegensatz zu anderen wichtigen europäischen Häusern, wo das Genre, etwa mit Werken von Jean-Baptiste Lully, zunehmend neu befragt wird. Erst 2005 gab es wieder etwas von Rameau: im Konzerthaus wurde in halbszenischer Form Les Paladins aufgeführt, und 2012 setzte sich die rührige Neuköllner Oper mit einer aktualisierten Version der Platée für den Komponisten ein. Nun, 2014 anlässlich seines 250. Todestags, hat Rameau die Komische Oper erreicht. Gezeigt wird die Tragédie lyrique Castor et Pollux als Koproduktion mit der English National Opera London, die 2011 Premiere feierte. Regisseur Barrie Kosky wurde für diese Inszenierung mit dem bedeutenden britischen Theaterpreis Laurence Olivier Award ausgezeichnet, für Berlin hat er sie überarbeitet und den hiesigen Gegebenheiten angepasst.

Castor et Pollux bezieht sich auf die gleichnamige griechische Sage, die von der unzerstörbaren Liebe zweier Brüder handelt, der auch der Tod und die Leidenschaft zur gleichen Frau nichts anhaben kann. Das ist Télaire, die ihre eigene Schwester Phébé zur Rivalin hat. Aus Eifersucht fädelt sie eine Verschwörung ein, bei der Castor stirbt. Pollux folgt ihm in die Unterwelt. Jupiter selbst belohnt die geschwisterliche Treue, indem er beide als Sterne am Himmel vereint. Zurück bleiben zwei gebrochene Frauenherzen. Wie schon in seiner West Side Story benötigt Kosky auch bei Castor et Pollux keine aufwändige Szenerie. Katrin Lea Tag hat den Bühnenraum mit Holzplatten verkleidet und mit Hinter- und Zwischenwänden versehen, die sich situationsabhängig heben oder senken. Ein schräg abfallender Sandberg steht für die Unterwelt. Die Kleidung ist zeitlos, der Chor einheitlich kostümiert. Die zahlreichen Tanzeinlagen sind in die Szene integriert und dienen nicht als hübsches Beiwerk. Denn Kosky geht es nicht um historische Bebilderung, sondern um die Seelenschau von vier jungen Menschen, die ihren Emotionen ausgeliefert sind. Dafür lässt er die Sänger ihren ganzen Körper einsetzen, lässt sie rennen, toben, aber auch ganz still niederkauern – wie sie ihre Gefühle in ihrer ganzen Wucht mit einer schmerzlichen Intensität ausleben, ist aufregendes, modernes Musiktheater.

Und tatsächlich gelingt es den beiden Schwestern und Brüdern – Nicole Chevalier als zwischen Verzweiflung und Glück hin- und hergerissene Télaire, Annelie Sophie Müller als hoffnungslose Phébé, Allan Clayton als mit kraftvollem Tenor prunkender Castor und Günter Papendell als aufopfernder Pollux – auf hinreißende Weise, vokale Kunst mit darstellerischer Unbedingtheit und körperlicher Beweglichkeit zu vereinen. Sie alle besitzen frische, flexible Stimmen und faszinieren durch ihr homogenes, nie überzogen wirkendes Zusammenspiel. Verdienten Szenenbeifall erhält Aco Aleksander Bišćević für seinen Auftritt als beflügelter Götterbote Mercure mit trompetenhaften Tenortönen. Der Jupiter von Alexey Antonov imponiert nicht nur durch die durch Kothurne vergrößerte Statur, sondern auch durch die Schwärze seines Basses. Neben den Solisten zeigt auch der für seine schauspielerische Agilität bekannte Chor sein Bestes – insbesondere dessen Auftritte hat Kosky in seiner Neuinszenierung weiter entwickelt.

Wunderbar ist auch die musikalische Umsetzung durch Christian Curnyn und das Orchester der Komischen Oper. Der britische Alte-Musik-Spezialist umhegt die Sänger aufmerksam und zärtlich und kitzelt aus den Instrumentalisten den Farbreichtum der Partitur heraus, reizt die Kontraste aus und achtet auf straffe Rhythmik. Das ist nicht nur fesselnd anzuhören, sondern auch anzusehen. Weil der Dirigent wie im Konzertsaal höher postiert ist und man seine Freude am Musizieren in jedem Moment beobachten kann.

Der Abend endet mit Riesenbeifall in der ausverkauften Komischen Oper.

Karin Coper

Fotos: Iko Freese