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Fakten zur Aufführung 

DER BARBIER VON SEVILLA
(Gioacchino Rossini)
12. Februar 2015
(Premiere am 29. November 2009)

Deutsche Oper Berlin


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Opulente Bühnensause

Gut kam Katharina Thalbach bei etlichen Kritikern nicht weg, als ihre Inszenierung des Barbier von Sevilla vor mehr als fünf Jahren an der Deutschen Oper Berlin Premiere feierte. Heute, nach 45 Vorstellungen, ist der Saal immer noch nahezu ausverkauft. Das Publikum liebt das opulente Spektakel. Zugegeben, bei so vielen Pointen, so viel Farbe, so viel Bühnensause gerät Rossini vielleicht zu sehr in den Hintergrund. Aber: Der farbenfrohe Spaß unterhält vom ersten bis letzten Takt, bringt mal mit mehr, mal mit weniger seichten Ideen zum Lachen. Und: Musikalisch werden die Sänger und wird das Orchester unter dem Dirigat von William Spaulding einer der beliebtesten Komödien der Opernliteratur unbedingt gerecht.

Das bunte Verwirrspiel um die Liebe lehnt sich in Thalbachs Inszenierung an das Prinzip der fahrenden Schauspieltruppen an. Zu Beginn zieht ein Traktor einen hausgroßen Anhänger vor Momme Röhrbeins Bühnenbild. Das Gefährt klappt nach einiger Zeit auf und entpuppt sich als Bühne auf der Bühne. Rundherum beobachtet eine bunte Zuschauerschar vom Strand, Straßencafé, Wegmäuerchen und gelegentlich auch vom Friseursalon aus die turbulente Handlung – fiebert mit der hübschen Rosina und dem verliebten Graf Almaviva mit; wünscht dem alten Griesgram Bartolo keinen Erfolg in Sachen Heiratspläne; und hofft, dass die trickigen Pläne des umtriebigen Barbiers Figaro zugunsten der Liebe aufgehen mögen. Zu dem bunten Völkchen gesellt sich gelegentlich ein lebendiger Esel, Nonnen trippeln über die Bühne und selbst die Luft ist bevölkert von Amor und Konsorten. Kurzum: Es geht am laufenden Band knallbunt und spektakulär zu.

Da ist es tatsächlich angenehm, dass sich Röhrbeins Bühnenbild den Opernabend über nicht groß wandelt. Ein Hauszeile im alten Sevilla, davor der Bühnenwagen. eine riesige Muschel am Strand, ein bisschen Mauer. Von links schiebt sich ab und an ein Friseursalon ins Bild. In die Vollen geht Guido Maria Kretschmer in Sachen Kostüme, startet einen wilden Mischmasch aus Zeiten und Epochen – von biederer 1950er-Jahre-Strandidylle bis zum barocken Prunk.

Bei so viel optischem Reiz und leider auch Gelärm auf der Bühne gerät stellenweise Rossini in den Hintergrund. Der Sinn einer Oper ist das nicht – doch die hoch engagierten Solisten schaffen es immer wieder, den Fokus auf die Musik zurückzulenken. Vor allem der junge amerikanische Bariton John Chest setzt sich als Figaro charmesprühend in Szene, schmettert selbstbewusst, schauspielert mal mit dramatischer Gestik, mal mit cooler Lässigkeit. Man glaubt ihm, dass er einer ist, der alles – und alle – haben kann, bei Tag und Nacht.

Wandelbar zeigt sich Matthew Newlin als Graf Almaviva, singt mit triefend-süßer Herz-Schmerz-Stimme, lässt seinen Tenor bewusst trunken torkeln, beherrscht das motivierte Duett mit Stephanie Lauricella als Rosina. Die klingt zu Beginn vielleicht ein bisschen zu erwachsen im weißen Rüschennachthemd mit rosa Schleife und einer Puppe im Arm. Das aber ist spätestens nach ihrem gesanglichen Orgasmus in Sachen „nutzlose Vorsicht“ vergessen. Der Graf kniet währenddessen übrigens tatsächlich unterm Rock der Angebeteten. Die zweite Frau im Solistenbunde, Ronnita Miller als Berta, ist nur kurz zu hören, dafür aber umso intensiver mit warmem, dunklen, voluminös-vereinnahmendem Mezzosopran. In weiteren Solistenrollen unter anderem: der italienische Bariton Marco Camastra als Bartolo und der stimmgewaltige amerikanische Bass Andrew Harris als Basilio.

Im Orchestergraben lässt William Spaulding schon mit der Ouvertüre keinen Zweifel aufkommen, was das Publikum den Abend über erwartet: fluffig-leichter Rossini-Genuss – mal rasant, mal voller Liebreiz, turbulent und herrlich dynamisch.   

Das Publikum fordert am Ende mehrere Vorhänge, vereinzelte Zuschauer bedanken sich mit stehender Ovation. Bedanken sich für einen Barbier von Sevilla, der sicherlich nichts für Theaterbesucher ist, die immer und überall nach  inhaltlichem Tiefgang suchen. Aber darum geht`s in dieser Inszenierung schlichtweg nicht. Es geht um gute Unterhaltung, die zum Lachen bringt und Spaß macht.

Michaela Schneider

Fotos: Bettina Stöß,Matthias Horn