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Fakten zur Aufführung 

DREI ALTE SCHACHTELN
(Walter Kollo)
27. September 2015
(Premiere am 26. September 2015)

Europäische Stiftung Operette
im Admiralspalast Berlin


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Evergreens vom Großvater

Zur Feier des 75. Todestages des großen deutschen Operettenkomponisten Walter Kollo hat seine Enkelin Marguerite Kollo eine konzertant-szenische Aufführung eines der bekanntesten Werke ihres Großvaters im Admiralspalast Berlin veranstaltet. Drei Alte Schachteln ist jetzt fast 100 Jahre alt. Zur Zeit des grausamen Höhepunktes des Ersten Welkrieges 1917 uraufgeführt, nimmt das Stück bewusst keinen Bezug auf diese Zeit, sondern bringt beschwingte Melodien, die über die Zeit besonders in Berlin Klassiker geworden sind.

Die banale Handlung und Texte von Herman Haller sind Nebensache – Zwei Liebespaare, eines „fein“, das andere „populär“, die dann doch zueinander finden. Einprägend waren und sind die Texte von Rideamus und die Musik von Walter Kollo. So zum Beispiel Ach Jott, was sind die Männer dumm oder Solang noch Unter‘n Linden die alten Bäume blühn, kann nichts uns überwinden, Berlin bleibt doch Berlin, Drei alte Schachteln, die gehen zum Ball und Der Walzer hat mir’s angetan, die das Publikum auch schon mal mitsingt.

Bewusst als „nicht subventionierte“ Produktion ausgewiesen, begnügt sich Marguerite Kollo, die auch für Regie und Konzeption verantwortlich zeichnet, mit einer nur angedeuteten Bühnenausstattung – Tisch, Sofa, Bank – und einer Projektionswand, auf der jeweils Bilder die Stimmung der Örtlichkeiten wiedergeben. Kostüme aus dem Fundus des Studios Babelsberg haben teilweise bessere Tage gesehen, aber auch hier ist es ja eher die Andeutung, auf die es ankommt.

Der verstärkte Ton ist streckenweise nicht richtig eingestellt. Die Sänger sind übersteuert, das Orchester eher eintönig. Sehr störend sind die sichtbaren Microports der Sänger am hinteren Gürtel der Gewänder angebracht.

Die Hauptrolle der Lotte Krüger meistert Ute Beckert mit jugendlichem Sopran und spielerischem Talent gemeistert. Auch Ilona Nymoen bringt die Partie der älteren Schwester Ursula mit großer Würde und Eleganz. Als junger Liebhaber Klaus Kersting ist Oliver Uden sowohl stimmlich wie schauspielerisch etwas überfordert. Ein Operettentenor bedarf mehr Charme und Schmelz, um zu überzeugen. In der dankbaren Rolle der Köchin Auguste beweist Katharina Groth große Ausdruckskraft und Ausstrahlung. Ihr Gegenspieler, Christian Theodoridis als Cornelius Hasenpfeffer, ist ein erfahrener Operettensänger und hat sichtlich Spaß an seiner Rolle.

Das Junge Sinfonieorchester Berlin, erst 2010 von seinem Dirigenten Andreas Schulz etabliert, besticht durch das jugendliche Profil seiner Mitglieder. Die Einstudierung von Drei Alte Schachteln ist die erste Operette für dieses Ensemble. Mit etwas mehr Mut zu ausgeprägten Kantilenen und Vertrauen in die Emotionalität der Musik könnte Andreas Schulz die Musik von Walter Kollo noch überzeugender vermitteln.

Auffällig für Berlin war das Publikum: nicht die übliche multikulturelle Mischung, sondern eher vollkommen deutschsprachig. Da die zweite Aufführung um 16 Uhr stattfindet, gibt es viele Besucher in Rollstühlen, an Rollatoren, auf Krücken oder Gehstöcken gestützt. Was man nicht alles auf sich nimmt, um bei so einem Event dabei sein zu können. Vom von der Veranstalterin erhofften jugendlichen Publikum leider keine Spur. Dennoch oder gerade deshalb gibt es sehr warmherzigen Applaus.

Zenaida des Aubris

Fotos: André Böhm, Manfred Thomas