Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

TORQUATO TASSO
(Gaetano Donizetti)
7. November 2014
(Premiere)

Bergamo-Musica-Festival


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Erlebenswerte Raritäten, kunstvoll serviert

Auf dem Weg nach Mailand führt die Autostrada ganz nah an der oberitalienischen Stadt Bergamo vorbei. Auf der Fahrt ist die imposante mittelalterliche Oberstadt die Città Alta deutlich zu sehen. Wirtschaftlich hat die Stadt eine bedeutende Stellung in Italien, unter anderem auch für die Seidenraupenzucht in der Gegend. Seit mehreren Jahren arbeiten die Stadt und insbesondere die Fondazione Donizetti auch an der Reputation als Musik- und Festspielstadt. Zum neunten Mal findet dieses Jahr das Bergamo-Musik-Festival statt. Es bietet alljährlich Aufführungen von bekannten und unbekannten Opern des bedeutendsten Bürgers der Stadt, dem Meister des Belcanto, Gaetano Donizetti, als auch anderer italienischer Komponisten sowie Konzerte, Ballette und pädagogische Veranstaltungen. Als besonders attraktive Veranstaltungsorte dienen das prächtige Opernhaus Teatro Donizetti sowie das kleinere, nicht minder eindrucksvolle Teatro Sociale, das unlängst renoviert wurde.

Neben Puccinis Tosca und Donizettis bekanntestem Werk Lucia di Lammermoor kommt dieses Jahr auch seine 1833 in Rom uraufgeführte Oper Torquato Tasso im Teatro Donizetti zur Aufführung. Viel Erfolg erlebte diese Semiseria-Oper bisher nicht und wurde auf Grund ihres Inhalts und der für die Zeit ungewöhnlichen Besetzung abgelehnt. Der Held ist der große italienische Poet Torquato Tasso, der im 16. Jahrhundert an vielen Orten und Höfen in Italien wirkte und mit seinem Werk Jerusalemme Liberata großen Einfluss auf die europäische Literatur nahm. Dieser Torquato Tasso wirkt in Donizettis Oper am Hof des Herzog Alfonso II von Ferrara. Er liebt verbotenerweise dessen Schwester Eleonora und wird Opfer einer fiesen Intrige des adeligen Roberto Geraldini. Die Geschichte entwickelt sich verwirrend, aber dank des Chores der Höflinge wird der Zuschauer informiert gehalten. Die Musik lässt die klassischen Spuren Mozarts und Donizettis Förderer und Lehrer Simon Mayr erkennen. Die Rezitative sind kurz und schwungvoll, die Arien in gewohnter Belcanto-Ausschmückung gestaltet, aber ohne artistische Höhepunkte. Umso mehr fallen die schönen, gefühlvollen Duette auf, die den Einfluss der Grand opéra und der beginnenden Romantik erkennen lassen.

Für die gelungene Belebung dieser kaum gespielten Oper übernahm Frederico Bertolani die Regie und wurde von Bühnenbildner Angelo Sala und Lichtdesigner Claudio Schmid unterstützt. Weniger ist mehr an diesem Abend, eingerahmt von warmem, stimmungsvollem Licht. Der Herzogspalast oder das Gefängnis werden nur symbolhaft mit Säulen oder Gitterstäben angedeutet. Die Bedeutung der Poesie und die Macht des Wortes – die auch die Intrige antreibt – wird mit auf der Bühne überall dicht verstreuten Blättern Einbezogen. Den unglücklich verliebten Poeten Tasso gestaltet der Koreaner Leo An. Zuerst angespannt, läuft er im letzten Akt, der fast ausschließlich ihm gehört, zu großer Form auf. Sein Bariton ist heldenhaft kraftvoll, aber auch leidend schmachtvoll. Seine Stimme ist facettenreich in der Mitte und Tiefe, in der Höhe sackt ihm öfters der Ton ab. Gilda Fiume hat als Leonore die sicherste und ausgeprägteste Stimme des Abends. Ihr glöckchengleicher Sopran ist hell, fein akzentuiert und fehlerfrei. Gabriele Sacona als ihr Bruder Alfonso II hat eine elegante reife Bühnenpräsenz, unterstrichen von seinem klaren, aber eher kleinen Bass. Giorgio Misseri meistert die Ansprüche an die Rolle des bösen Gegenspielers von Torquato Tasso. Sein Tenor ist lyrisch, hell und nimmt die Höhe mit viel Kraft.

Hervorzuheben sind die Leistung des Chores und des Orchesters des Bergamo-Musica-Festivals, die bestens vorbereitet unter der Leitung des jungen Dirigenten Sebastiano Rolli mit viel Schwung, Emotion und sauberem Spiel aufspielen. Die missglückten Hörner sind da schnell vergessen. Rasch wird der Zuhörer von diesem unbekannten Stück durch die Leistung aller Beteiligten gefangen genommen, und mit Freude lernt man diese Rarität schätzen und bekommt Lust auf mehr. Ein lohnender Grund, für einen Abstecher die Autostrada zu verlassen.

Helmut Pitsch

 



Fotos: Bergamo-Musica-Festival