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Fakten zur Aufführung 

DIE WALKÜRE
(Richard Wagner)
23. August 2014
(Premiere am 27. Juli 2013)

Bayreuther Festspiele


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Schwarzes Gold in Aserbaidschan

Wir sind in Baku, Aserbaidschan. Frank Castorf unternimmt diesen Ausflug an die Kaspische See, um zu zeigen, woher das schwarze Gold stammt. Denn Öl regiert ja schließlich die Welt. Ein riesiger Ölförderturm, auf dem später der rote kommunistische Stern prangen wird, samt Wohnhaus, Werkhalle und Tank steht auf der Drehbühne. Es ist ein wandelbarer, imposanter, kühner, hölzerner Bau auf mehreren Ebenen, von Aleksander Denic kreiert. Hier siedelt der Regisseur nach dem Rheingold, dem Vorabend des Ring des Nibelungen, der im Wilden Westen spielte, Richard Wagners Walküre an. Es ist auch Hundings Haus, in dem Sieglinde echte Truthähne im Käfig füttert. Ein Winterschlitten steht davor, in dem ein unbekannter, blutüberströmter Mann liegt, der dann später stirbt. Alles ist wieder sehr detailreich erdacht, aber die Bühne wirkt insgesamt ziemlich angekramt: Zeitungspapier liegt herum, ein altes Fahrrad, Kisten, später sieht man eine riesige Ölförderpumpe, die in Betrieb geht. Kyrillische Schriften sind auf den Wänden und Dächern angebracht. Und natürlich starten wieder Videos, die nicht nur mit Kameras das aktuelle Geschehen aus anderer Perspektive oder dem Inneren des Gebäudes zeigen, sondern auch klassenkämpferische Geschichten aus der Sowjet-Zeit in schwarz-weiß, in Stummfilmniveau mit kyrillischen Zwischentiteln. Teils völlig unverständlich und störend, vor allem bei Wotans Abschied einfach nur ein Ärgernis. Zum Feuerzauber lässt er zwar einen Öltank in Flammen aufgehen, sonst passiert lichtmäßig nicht viel.

Aber es gibt auch berührende Momente, wenn etwa Siegmund nach seiner tödlichen Verletzung seinem Vater lange hilfesuchend die Arme entgegenstreckt, bevor er stirbt. Insgesamt ist aber Castorf trotz seiner Verfremdungsversuche in der Walküre wesentlich zurückhaltender bei der Intensität der Videomengen. Teilweise wirkt seine Regie regelrecht klassisch und beschränkt sich auf gekonnte Personenführung, die auch sehr berührend wirkt.

Eine Klasse für sich ist bei den Sängern Johan Botha, der den Siegmund jugendlich strahlend mit unverbrauchtem Schmelz und mühelosen Höhen singt, seine Wälse-Rufe sind sensationell, das Liebesfinale aufwühlend, sein Spiel wie immer etwas statisch. Weich, rund, klar, ungetrübt, herrlich timbriert klingt der Heldenbariton des Wolfgang Koch als zorniger Wotan, der zu Beginn mit einem Rauschebart versehen ist. Er singt den sehr menschlichen Gott ungemein kultiviert und fasziniert bei den lyrischen Stellen und leisen Monologen. Kwangchul Youn ist ein gewalttätiger, böser Hunding, der seine Sieglinde ziemlich schlecht behandelt, der aber immer distinguiert und nie orgelnd singt. Anja Kampe singt die Sieglinde kraftvoll mit berückender Pracht, im letzten Akt zeigt sie jedoch bei den Höhen einige Verschleißerscheinungen. Ebenso wie Catherine Foster, eine expressive Brünnhilde mit beträchtlicher Power und strahlenden und leuchtenden Spitzentönen. Claudia Mahnke ist eine keifende Fricka, die sich in einem wunderbaren orientalischen Gewand herein tragen lässt, und mit viel Tremolo singt. Nicht ganz homogen und von unterschiedlicher Qualität sind die Rollen der Walküren besetzt, die zuerst in volkstümlichen Kostümen von Adriana Braga Peretzki erscheinen, unter denen sie jedoch Abendroben tragen.

Kammermusikalisch, schlank, durchsichtig, nuancenreich mit betörender Schönheit erlebt man das Festspielorchester unter dem sensiblen Dirigat von Kirill Petrenko. Im lyrischen Part der Tetralogie blüht und wuchert die Musik betörend aus dem Graben. So gelingt es ihm, bei Wotans Abschied von seiner Lieblingswalküre, die auch musikalisch durch sensible Piani zu einem Ereignis wird, ergreifende, tiefe zwischenmenschliche Emotionen zu erzeugen.

Zum Schluss bedankt sich das Publikum im vollen Haus mit unbeschreiblichem Jubel und Getrampel. Die einzelnen Buhs für die Regie scheinen entbehrlich, denn man wusste ja von den Vorberichten des letzten Jahres, was einen erwartet, als man sich die Karte kaufte.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Enrico Nawrath