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Fakten zur Aufführung 

DAS RHEINGOLD
(Richard Wagner)
22. August 2014
(Premiere am 25. Juli 2013)

Bayreuther Festspiele


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Schwarzes Gold auf der Route 66

Wir sind mitten im Wilden Westen von Amerika, irgendwo an der legendären Route 66. Da steht das Bordell Golden Motel samt Tankstelle – das Bühnenbild wurde von Aleksandar Denic erdacht – und einem wunderbaren, chromblitzenden Oldtimer davor. Es wird von einem sehr aggressiven Mann im rosaroten Anzug, die Kostüme stammen von Adriana Praga Peretzki, namens Wotan betrieben, Clanchef, Zuhälter und einer der schmierigsten Weiberhelden der Gegend, denn kein Kittel ist vor ihm sicher. Gleich zu Beginn vernascht er gleichzeitig Fricka und Freia, später Erda in der Duschkabine. Die Damen des Etablissements, die Rheintöchter, räkeln sich in Liegestühlen oder klauben ihre Reizwäsche von der Wäschespinne, sehr freizügig angezogen, und werben mit ihren Reizen. Als erster möchte der Cowboy Alberich, der versteckt unter einer Decke eines Liegestuhls plötzlich zum Vorschein kommt, drankommen. Als ihm das nicht gelingt, geißelt er sich mit einer Plastikente, schmiert sich den Bauch mit Senf voll, entsagt der Liebe und stiehlt gleich das Rheingold, das als goldener Teppich im Swimmingpool schwimmt.

Die Götter hausen im ersten Stock in einem winzigen Zimmer des Motels. Donner ist ein ständig mit einer Pistole herumfuchtelnder Cowboy, Froh ein Dandy, Loge, rotgewandet mit schwarzen Wuschelhaaren, spielt dauernd mit seinem Feuerzeug in der Nähe der Zapfsäulen gefährlich herum. Freia ist sehr erotisch, als Pamela-Anderson-Verschnitt bekleidet, später in einem Latex-Anzug, man versteht, dass der Riese Fasolt auf sie abfährt. Dieser gemeinsam mit seinem Bruder Fafner, bekleidet wie Mechaniker, drohen mit Baseballschlägern um ihren Lohn für die Erbauung von Walhall, das man nur als Video sieht, zu erhalten und zerschlagen immer wieder das Interieur des Tankstellen-Shops. Nibelheim ist ein alter, silberner Wohnwagen, in dem Mime, ganz in Gold gewandet, die Goldbarren bunkert. Er holt auch, als Alberich gefangen wird, vor Freude die Konföderiertenfahne ein und hisst die Regenbogenfahne des Friedens auf dem Fahnenmast.

Und all das sieht man doppelt, einmal live und dann aus anderen Perspektiven auf einer riesigen Videowall auf dem Dach. Denn die Kameras sind ständig dabei, filmen und zeigen auch Szenen aus dem Inneren des mehrstöckigen Hauses.

Nun, Ideen hat Frank Castorf für Richard Wagners Rheingold in Bayreuth mehr als genug. Es herrscht kein Stillstand, keine Sekunde kommt Langeweile auf. Es gibt ständig etwas zu sehen und selten wird bei Rheingold so viel gelacht. Nur, auch wenn man seine Konzeption – für ihn ist, wie man nur aus dem Programmheft erfährt, das schwarze Gold das Rheingold, das eigentliche Symbol für Reichtum, Macht und Erotik – akzeptiert, mit der Zeit nerven diese Reizüberflutungen, Überfrachtungen und die ständigen Videos. Man ist unfähig, alles aufzunehmen, weil zudem auch Nebenhandlungen stattfinden. Und man ist durch das Visuelle so abgelenkt, dass man sich regelrecht zwingen muss, der Musik zuzuhören.

Gesungen wird am Vorabend der Tetralogie überwiegend gut, auf Grund der phänomenalen bayreuther Akustik sind auch alle Sänger immer gut hörbar. Ihre stimmlichen Qualitäten sind allerdings durchwachsen. Wolfgang Koch hat große Präsenz. Er gestaltet die Halbweltfigur aus Machtgier und Geilheit grandios. Sein Wotan klingt mit prächtiger Diktion immer sehr weich. Hingegen verfügt Oleg Bryjak als Alberich zwar über einen kernigen Bariton, ist aber völlig unverständlich und hat etliche Intonationsprobleme. Nadine Weissmann singt die Erda mit enormer Bühnenpräsenz und voluminösem Mezzo. Burkhard Ulrich ist ein exzellenter Mime mit leicht scharfem Charaktertenor. Norbert Ernst singt den Loge absolut verständlich, sehr zynisch mit allen Höhen und Nuancen. Intensiv hört man die Fricka der Claudia Mahnke, ideal die Freia der Elisabeth Strid. Wilhelm Schwinghammer als Fasolt ist unschön vibratoreich, Sorin Coliban als Fafner kraftvoll zu erleben. Markus Eiche ist ein schönstimmiger, aber auch dramatischer Donner. Mit sehr schönem Tenor singt Lothar Odinius den Froh. Tadellos erlebt man auch die Rheintöchter: Mirella Hagen als Woglinde, Julia Rutigliano als Wellgunde und Okka von der Damerau als Floßhilde.

Die Stars des Abends sind zweifellos Kirill Petrenko und das bestens disponierte Festspielorchester: Immer mit großer kammermusikalischer Transparenz, feinen Piani, aber auch großen aufbauenden Spannungsbögen wird hinreißend und farbenreich musiziert.

Was im ersten Jahr für die Inszenierung noch wütende Buhs hervorgerufen hat, wird heuer, da schon alles bekannt ist, vom Publikum nur noch milde belächelt. Der Jubel ist für die Sänger ein großer, der noch einmal extrem anschwillt, als der Dirigent vor den Vorhang tritt.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Enrico Nawrath