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Fakten zur Aufführung 

DIE GÖTTERDÄMMERUNG
(Richard Wagner)
27. August 2014
(Premiere am 31. Juli 2013)

Bayreuther Festspiele


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Zwischen Kebab-Bude und Börse

Hagen, der diabolische Spielmacher, treibt am Ende unversehrt und lebend in einem Schlauchboot grinsend den Rhein hinunter. Das Böse bleibt bestehen, es ist immer und überall, die Liebe hat ausgespielt. Dieser müde Abschied von jeder Zukunftshoffnung, vom fehlenden Silberstreifen, schiene er noch so klein am Horizont auf, der eigentlich dem Finale immanent sein sollte und den man meist in anderen Inszenierungen erlebt, macht Frank Castorfs Deutung noch bedrückender. Ist Der Ring des Nibelungen von Richard Wagner an sich schon sehr düster, Castorf macht ihn, speziell mit der Götterdämmerung, noch eine Nuance schwärzer.

Hatte die Reise in Amerika begonnen, war dann über Aserbaidschan bis zum Berliner Alexanderplatz fortgesetzt worden, so strandet sie jetzt beim Trauma der DDR, an der innerdeutschen Grenze: Auf der einen Seite ein schäbiges Treppenhaus mit der riesigen bunten Leuchtreklame einer volkseigenen Chemiefabrik, auf der anderen Seite statt der Gibichungenhalle ein hässlicher Hinterhof mit einer Kebab-Bude und einem Gemüse- und Obstladen, allerdings ohne Gemüse und Obst. Das trashige Bühnenbild stammt wieder von Aleksandar Denic, die Kostüme von Adriana Praga Peretzki. Und zum Finale findet man sich gar vor der nunmehr nicht mehr verhüllten Fassade der New Yorker Börse. Denn wir sollen es ja endlich auch alle wissen: Geld regiert die Welt. Vom Öl, das statt dem Rheingold als schwarzem Gold eigentlich in Castorfs selbst gewählter Konzeption im Mittelpunkt stehen sollte, ist außer von ein paar Fässern und den Rheintöchtern, die in ihrem schicken Mercedes den Ölstand messen, kaum mehr etwas zu bemerken. Die Schäbigkeit und das ständige Brechen von musikalischen und emotionalen Höhepunkten, sind bei Castorf auch Methode: So wühlen die Nornen zu Beginn im Müll, beschmieren eine Art Kultstätte mit Farben und treiben Vodoo-Zauber. So verstauen die Rheintöchter ein überfahrenes, blutiges Unfallopfer im Kofferraum. Die Mannen liefern einander eine Schlacht am Dönerstand. Siegfried, kaum bei den Gibichungen eingetroffen, treibt es gleich mit Gutrune am alten, silbernen und omnipräsenten Wohnwagen, den man schon nicht mehr sehen kann, und fragt dabei Gunther nach dem Namen seiner Schwester.

Hingegen werden Schlüsselszenen wiederum mangels Ideen verschenkt. Der Mord an Siegfried geschieht ziemlich harmlos, indem Hagen mit einem Baseballschläger auf einen Lattenzaun schlägt, Siegfried muss seine letzten Töne unsichtbar hinter diesem Zaun aushauchen. Zum Finale, wo laut Wagner Brünnhilde mit ihrem Ross in den Scheiterhaufen reitet und der Rhein über seine Ufer tritt, passiert gar nichts, außer dass eine Mülltonne brennt, in die die Rheintöchter den wieder gewonnenen Ring hineinwerfen.

Die Inszenierung von Castorf spielt am Sperrmüll der Geschichte, wo die Helden in diesem Geröll ihre verlorenen Utopien und Emotionen suchen. Sie ist ein Konglomerat von mehr und weniger amüsanten Ideen, von solch betonten Provokationen, dass man sie wiederum nicht ernst nehmen kann, vollgepackt, effekthascherisch und keineswegs selbsterklärend. Manchmal wieder lenken schwer in die Geschichte zu integrierende Nebenaspekte zu sehr von der eigentlichen Handlung ab, wobei die Videosequenzen diesmal eher dezent im Hintergrund bleiben.

Catherine Foster singt die Brünnhilde wie schon beim Siegfried hochklassig. Sie ist ausdrucksstark und hat auch noch genügend Kraftreserven für ihren fulminanten Schlussgesang. Attila Jun ist ein ungemein schwarzer und bösartiger Hagen, ein fieser intriganter Strippenzieher mit schauriger Bühnenpräsenz und voluminöser Basstiefe. Gunter wird von Alejandro Marco-Buhrmester sehr kultiviert gesungen und eindruckvoll als Hin- und Hergerissener gespielt; ihm zur Seite Gutrune, die ideal von Allison Oakes interpretiert wird. Oleg Bryjak verleiht dem Alberich kein besonders prägnantes Profil. Siegfried ist wieder Lance Ryan. Dessen Tenor klingt diesmal schon von Anfang sehr gepresst und eng. Herausragend hört man auch Claudia Mahnke als Waltraud. Die drei Nornen mit Okka von der Damerau, Claudia Mahnke und Christian Kohl, die drei Rheintöchter mit Mirella Hagen als Woglinde, Julia Rutigliano als Wellgunde und Okka von der Damerau als Flosshilde singen alle auf Festspielniveau. Untadelig, kräftig und durchsichtig singt auch der Chor des Hauses, der von Eberhard Friedrich wieder verlässlich einstudiert wurde.

Für mystische Momente sorgen im Gegensatz zur Inszenierung Kirill Petrenko und das Festivalorchester. Immer sängerfreundlich, wird ein wunderbar farbig-differenzierter Klangteppich ausgebreitet und ein subtiler wie auch aufregender Stimmungszauber betrieben. Trauermarsch und Finale hätten vielleicht noch eine Prise mehr an Spannung und Akzenten vertragen.

Grenzenloser Jubel des Publikums im übervollen Haus, das seine Sängerlieblinge x-fach vor den Vorhang ruft.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Enrico Nawrath