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Fakten zur Aufführung 

ZAIDE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
6. August 2015
(Premiere)

Zuflucht Kultur,
Stadttheater Augsburg


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Mozart kritisch-politisch

Mit großem persönlichen Einsatz widmet sich die junge Mezzosopranistin Cornelia Lanz dem Flüchtlingsproblem in Deutschland. Dabei spielt für Sie die kulturelle Kraft und Verbindung eine wichtige Rolle in der praktischen Umsetzung. Ein von ihr mit ins Leben gerufener Verein mit dem symbolhaften Namen Zuflucht Kultur ist Veranstalter und Produzent verschiedener Projekte im Sinne der Völkerverständigung. Die letztjährige Umsetzung der Oper Così fan tutte von Wolfgang Amadeus Mozart mit einem Chor aus Flüchtlingen wurde zu einem Referenzprojekt in der gesamten Republik. Der Erfolg animierte zum Weitermachen. Dabei geht die junge Künstlerin selbst in Flüchtlingsheime, ja, sie lebt unter ihnen und lernt so ihre berührenden Schicksale und Ängste kennen, ihr kulturelles Erbe und ihre kulturellen Neigungen. Dieses Jahr haben sie und die vielen freiwilligen Helfer die Jugendoper Zaide von Wolfgang Amadeus Mozart ausgewählt. Oper ist ein zeitloses und doch so aktuelles modernes Medium, wie die intelligente und feinfühlige Realisierung eindeutig belegt.

Subtil wird der Inhalt des frühen deutschen Singspiels aufgegriffen. Sklavin Zaide, die Gunst und Liebe des Herrschers Soliman ausschlägt und mit ihrem Geliebten, dem Sklaven Gomatz, flieht, um dann doch wieder in die Gefangenschaft zurückzukehren. Das Werk blieb unvollendet, aber der Stoff ist zeitlos. Schon Mozart litt unter der Sklaverei des Fürsterzbischofes zu Salzburg und floh nach Wien. Wie dramatisch ist erst der Bezug zur Jetztzeit. Mit einer Gruppe von syrischen, irakischen, afghanischen und nigerianischen Flüchtlingen stellt die Regisseurin Julia Hübner gemeinsam mit der Dramaturgin Nora Schüssler den Bezug her. Die Tonfragmente werden mit sehr persönlichen Texten aus den Erfahrungen der Flüchtlinge ergänzt. Die Personen Zaide und Gomatz sind dreifach besetzt in einer Mischung aus Sänger, Schauspieler und Sprecher. Genial die Umkehr der Flüchtlingsrollen zu Beginn des zweiten Aktes. Deutschland, Europa befindet sich im Bürgerkrieg und Deutsche werden zu Flüchtlingen in Arabien. Die Tristesse des Flüchtlingsdaseins wird zur Parabel. Einfach ist die Bühne von Xaver Unterholzner im Bert-Brecht-Theater in Augsburg gestaltet. Unterschiedlich hohe Podeste verteilen sich und werden auf der Bühne herumbewegt.

Es wird dicht, geht unter die Haut im Laufe des Abends. Alle spielen mit viel Begeisterung, aber auch ehrlichen Emotionen, durch das eigene gefühlte Schicksal. Auch musikalisch werden harmonisch einige geschickte Arrangements vorgenommen. So hören wir als Ouvertüre, die ja nicht mehr gefunden wurde, ein selbstkomponiertes Lied des afghanischen Flüchtlings Hazem Kaboud auf die Liebe von Zaide und Gomatz, in arabisch gesungen und auf der original Oud, einem Mini-Harmonium, begleitet. Voice of Africa aus Nigeria bringt einen typischen Tanz als Darstellung des Gefühlslabyrinths von Zaide. Die musikalische Untermauerung übernimmt das Ensemble Zuflucht, ein Zusammenschluss von engagierten Musikern verschiedener großer Orchester zur Unterstützung der Initiative. Der junge Dirigent Gabriel Venzago zeigt sich omnipräsent, bleibt aber unaufdringlich und lässt den vielen Akteuren aufmerksame Freiheit. Viele Einsätze müssen abgestimmt werden, aber alles klappt und geht in Harmonie auf.

Vor allem lassen die jungen Sänger aufhorchen. Cornelia Lanz, die Initiatorin, wirkt auch als Titelheldin mit und zeigt mit ihrem hellen Mezzo, feintimbrierten Forte in der Höhe und warmer Mittellage auch ihr sängerisches Können. Mit Philipp Nicklaus erleben wir einen hoffnungsvollen, jungen Tenor mit heller Belcanto-Stimme, der auch Präsenz und Kraft in höheren Lagen bringt. Kai Preussker begleitet die beiden Flüchtenden in der Rolle des Allazim mit viel spielerischem Ausdruck. Das Publikum ist berührt und bejubelt alle Darsteller.

Der Gedanke und die Umsetzung überzeugen. Frappant dieses Gefühl, dass Einzelschicksale und persönliche Nähe das Bild der Flüchtlingsproblematik umkehren und berühren, während breite Medieninformation und Diskussion über anonyme Flüchtlingsmassen die Meinung des Volkes negativ beeinflussen. Mit dem Erfolg der Aufführung und auch der Intimität des anschließenden Publikumsgesprächs ist ein wichtiger Beitrag für die aktuelle Diskussion gesetzt worden. Hoffentlich gelingt es, viele Zuschauer mit diesem Werk zu erreichen um dem Prozess der Integration und des Umganges mit den Flüchtlingen positiv zu besetzen. Die Abende in Augsburg sind ausverkauft, weitere Aufführungsorte folgen. Am 1. September wird auch in Berlin vor dem Bundespräsidenten gespielt. Neben der politischen Aufmerksamkeit und Anerkennung wünschen wir den Initiatoren auch den entsprechenden wirtschaftlichen Erfolg, damit diese Initiative fortgesetzt werden kann.
 
Helmut Pitsch

 

Fotos: A. T. Schaefer