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Fakten zur Aufführung 

DAS MÄRCHEN VON FANFERLIESCHEN SCHÖNFÜSSCHEN
(Kurt Schwertsik)
18. Januar 2009 (Premiere)

Wuppertaler Bühnen


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Verwirrend-lähmend

Das Dilemma beginnt mit der Libretto-Vorlage nach dem Kunstmärchen-Roman des changierenden Clemens Brentano, der sich vom christlichen Anti-Judaismus über den Pietismus und Protestantismus zum Sprachrohr des ultramontanen Katholizismus entwickelte; und Fanferlieschen ist dementsprechend ein Elaborat zum Lobpreis ideologisch propagierter rückwärtsgewandter Gesellschaftsvorstellungen.

Verblüffend die Wahl ausgerechnet dieses Stoffes aus dem geistig-diffusen Qualm der heterogenen geistigen Situation zu Beginn des 19. Jahrhunderts – das mit seinen nebulösen Zauber-Effekten, Verwechslungen, plattem Mord- und Totschlag und Jungfrauenschändungen verwirrend-kolportagehafte bizarre Konstellationen bietet. Karin und Thomas Körner ist es nicht gelungen, aus diesem misslichen Gebräu ein genießbares Produkt zu formen.

Aurelia Eggert setzt auf plakative Aktualisierungen, besteht auf der Botschaft „Revolution ist Mist“ und propagiert den ewigen Sieg der Bourgeoisie - vermag zudem nicht, das elende Spiel mit obskuren Figuren und wild zusammengeschusterten Motiven szenisch zu verdeutlichen, zumindest die verworrene Handlung zu straffen.

Veronika Lindner steckt die obskuren Personen in aufwändig-putzige Kostüme, orientiert sich dabei aber offenbar an Stilgefühlen der 50er Jahre, reproduziert einen für überwunden gehaltenen unwitzigen Opern-Humor.

Brillant in der Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten die versenkbaren Bühnen-Elemente von Andreas Wilkens: klar strukturierte Räume auf verschiedenen Ebenen, überraschend-aussagekräftige Verwandlungen und durchaus imaginative Spielräume.

Die durchhörbare Musik Schwertsiks präsentiert sich im durchgängigen Salonorchester-Stil mit vorsichtigen Einwürfen aus den Dunstkreisen der minimal music, der Dessau-/Weill-Attitüde, auch der Pop-Andeutungen oder Verweisen auf Romantik und Vorklassik. Das ergibt in ihrer lähmenden Gleichförmigkeit mit sparsamen rhythmischen Hervorhebungen ein sedierendes Klangbild, das nur durch das engagierte Musizieren des klein besetzten Sinfonieorchesters Wuppertal unter der alles herausholenden Leitung des wild entschlossenen Hilary Griffiths als musikalisch-dramatisch vermittelbar wird.

Zur Eröffnung des sensibel restaurierten Wuppertaler Opernhauses ist das Auditorium in Erwartung der angekündigten „Familienoper“ gefüllt mit Honoratioren und einem geballten Presse-Aufgebot, Kinder – die eigentliche Zielgruppe – sind mit der Lupe zu suchen. Während der optisch bunten, inhaltlich kaum nachzuvollziehenden, musikalisch lähmenden guten Stunde der Aufführung macht sich einschläfernde Stimmung breit, äußert sich nach Schluss in leicht anschwellendem Höflichkeits-Applaus – wird auch nicht stimuliert durch eine anmachende Applaus-Ordnung. Keine Buhs.

Raimund Fischer als bekehrter Atomkraft-Gegner, Joslyn Rechter als verquere mater familias-Fanferlieschen, Norbert W. Grade als agierender Kommtzeitkommtrat – und alle anderen Mitglieder des engagiert spielenden Ensembles sind auf kurze Auftritte beschränkt, haben kaum Chancen zu mehr als ariosen Andeutungen; allein für Banu Böke als weggesperrtes Fräulein von Ziegesaar – im übrigen eine von der Regie zu verantwortende peinliche Anknüpfung an die Amstetten-Monstrosität - ergibt sich die Chance zur Präsentation ihrer begnadeten Stimm-Kultur.

Es wird viel Mühe kosten, ein Publikum für dies sperrige Opus zu gewinnen - doch Kinder werden Kinder sein und wie Kinder reagieren. Aber eins ist klar: Märchen sind nicht von vornherein „märchenhaft“! (frs)
 




 
Fotos: Michael Hörnschemeyer