Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

ORFEO ED EURIDICE
(Christoph Willibald Gluck)
2. Januar 2008
(Premiere: 10. November 2007)

Staatstheater Wiesbaden


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

„Reminiszenzen“

Inszenierungstheoretisch ist alles wohl durchdacht: die Wahl der italienischen Fassung von 1762; die Choreografie als handlungs- und bedeutungstragendes Element; die Positionierung von Glucks Reformoper zwischen opera seria und opera buffa; und das theatrale Eingehen auf die optischen Wünsche des Publikums.

Problematisch wird’s beim Umsetzen in konkretes „Bühnenhandeln“: Das beginnt mit dem blau gekachelten Gehäuse, in das bei Gelegenheit eine wacklige weiße Wendeltreppe hinabgelassen wird – Heinz Hausers „Hallenbad“ als Elysium und Unterwelt. Das setzt sich fort mit Euridices Tod während der Hochzeitsnacht; das wird irritierend durch zerhackte Bewegungen der Chöre (Choreografie Otto Pichler); und wird skurril, wenn Amor als Pippi Langstrumpf kindliche „Reminiszenzen“ wecken soll.

David Mouchtar-Samorais Regie macht aus dem Mythos einen Kindergeburtstag, erliegt offenbar dem hemmungslosen Drang nach „Originalität“ – erreicht damit aber keine neue Sicht auf die Unsterblichkeit der Musik, sondern beutet gnadenlos aus, verkennt Würde und Dezenz des Musiktheaters.

Cornelius Heine gelingt es nicht, das Orchester des Staatstheaters Wiesbaden zu engagiert-lustvollem Spiel zu animieren: Da werden routiniert Noten reproduziert – ohne innere Leidenschaft, ohne Gespür für die archetypischen Gefühlswelten der Gluck-Musik: unangemessen akademisch, um es freundlich zu formulieren.

Ute Döring gibt den zappelig-unkonventionellen Orpheus mit starkem Bewegungsspiel, singt dabei aber ausgesprochen variabel, beherrscht Parlando und Arioso gleichermaßen, glänzt vor allem mit ihrer ausdrucksvollen Mittellage. Sharon Kempton kämpft mit der Inszenierungsvorgabe als zickige Ehefrau, lässt stimmlich differenziert-aggressive Töne hören, bleibt dagegen lyrisch zurückhaltend. Simone Brähler kostet als Pippi-Amor ihr komödiantisches Talent aus, verleiht der Figur schrillen Charakter. Emma Pearson bleiben als Gouvernante kurze Momente zur Demonstration ihrer flexibel-warmen Stimme. Der Chor (Leitung Christof Hilmer) beeindruckt durch perfekt abgestimmten kollektiven Gesang!

Das Wiesbadener Haus ist schwach besucht, das Publikum verfolgt das irritierende Geschehen mit Interesse, applaudiert am Ende lang anhaltend, versucht auch anschließend, Zugang zum Gesehenen zu finden. (frs)