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Fakten zur Aufführung 

DON GIOVANNI
(Wolfgang Amadeus Mozart)
10. September 2008
(Premiere: 6. September 2008)

Staatstheater Wiesbaden


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Kein Schuss wird fallen

Ein Schloss ist ein Schloss, und entsprechend herrschaftliche Versatzstücke bilden die Szene für die Neuinszenierung von Mozarts „Don Giovanni“ am Hessischen Staatstheater Wiesbaden. Und ein „Dramma giocoso“ ist vor allem „giocoso“, weshalb Regisseur Carlos Wagner der Doppelbödigkeit dieser Oper auszuweichen scheint. Diese Konzentration aufs Heiter-Spöttische aber gelingt recht beglückend. So bringt der Wiesbadener „Don Giovanni“ keine aufregend-neue Sichtweise, aber er schenkt all denen, die sich darauf einlassen, einen höchst amüsanten, teilweise frech gemachten, in vielen Details zauberhaften Abend, der seine Originalität auch aus vielen geglückten und wenigen zweifelhaften Gags bezieht.

Das wirkt doch charmant, wenn Donna Elvira irgendwann am Abend hoch zu Ross ins Schloss einreitet, während Don Giovanni dann die edle Mähre zur Flucht benutzt. Klar, er muss sich vom Acker machen, wenn ihm die enttäuschten Objekte seiner zügellosen Lust auf die Pelle rücken. Der etwas schwerfällige Aufstieg in den Sattel ist übrigens der einzige Schwachpunkt des großartigen Sänger-Darstellers Thomas J. Mayer, dessen Kavalierbariton grollt und glänzt, schwärmt und verachtet. Dieser gewissenlose Verführer kennt keinerlei Scham oder gar Mitleid, er höhnt der Frauen und der Welt, und als Erdenkind fährt er letztlich nicht zur Hölle, sondern spielt das russische Roulette mit jenem Colt, den ihm der Komtur (Bernd Hofmann; kein Orgelbass!) reicht, ohne Angst vor dem Ende. Folglich wird auch kein Schuss fallen.

Wiesbadens GMD Marc Piollet, ein nachhaltig kompetenter Mozart-Dirigent, steuert das Staatstheater-Orchester zu feinfühliger Differenzierung, sensibler Sängerführung und plastischer Dramaturgie. Aga Mikolaj gibt eine glänzende Donna Elvira ab, weil sie für alle Maskeraden und Charakterstudien den passgenauen stimmlichen Ausdruck parat hat. Von ihrem jugendlich-dramatischen Sopran geht ein klares Leuchten aus; ihr nahe kommt an diesem Abend Tatiana Plotnikova als Donna Anna, deren sinnliche Koloraturen überzeugen. Martin Homrich verkörpert den Don Ottavio mit lyrischem Tenor als naiven Schwächling, der froh ist, wenn er keinerlei Verantwortung tragen muss. Der Spielbass von Hye-Soo Sonn als Leporello wirkt manchmal etwas zu leichtgewichtig, gefällt indes durch feine Facetten in der Partiegestaltung. Evgenia Grekova profiliert die Zerlina als unbeschwertes Mädchen, das – selbst verlockend – den Verlockungen der großen, weiten Welt nur allzu gerne nachgeben würde. Ihre fein geführte Sopranstimme verströmt Zärtlichkeit und spöttischen Eros. Dass sie einem Weltmann verfallen kann, wird in der Figur des Masetto deutlich, den die Regie als unsicheren Halbstarken in jene Lederjacke steckt, die seinem Selbstwertgefühl auch nicht mehr aufhelfen kann. Reinhold Schreyer-Morlock zeichnet ihn in dieser Hinsicht ausgezeichnet.

Auffällig in dieser Produktion die Freude an den Kostümen (Cristof Cremer); die Bühne gestalteten Rifail Ajdarpasic und Ariane Isabell Unfried. Das überwiegend ältere Publikum (der Bericht bezieht sich auf die mager besuchte Aufführung am 10. September) wirkte eher desinteressiert und geizte mit Beifall. Angesichts der Qualität dieser Mozart-Produktion und der neugierigen Agilität, die nach neuestem Forschungsstand unseren Senioren immer wieder bescheinigt wird, ein wunderlicher Befund.

Eckhard Britsch
 






Fotos: Staatstheater Wiesbaden