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Fakten zur Aufführung 

LE NOZZE DI FIGARO
(Wolfgang A. Mozart)
26. Januar 2004


Hessisches Staatstheater Wiesbaden




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Zeit des Umbruchs

Die Bühne Casabal Antals verweist auf historische Parallelitäten: Im pompösen Wiesbadener Haus im ornamentenüberladenen Gründerstil (Wilhelm Zwo: "So wat ham wir in Berlin nich!") finden sich Bühnenräume im Gestus der Industriebauten im Vorfeld des Bauhauses (wie zum Beispiel die Empfangshalle im Dritten Akt à la Zollern 2/4).

So kann Cesare Lievi einen Umbruch der Gefühlswelten im wiederum historisch vorgelagerten Feudalismus inszenieren: Individuelle Emotionen befreien sich im kleinen Kosmos des Grafen Almaviva, die wirkliche Revolution steht vor der Tür (die Bauern wie die Müntzer-Truppen). Die distanzierende Personenführung Lievis macht die Unsicherheit deutlich - und provoziert Assoziationen zur Situation gesellschaftlicher Unübersichtlichkeit heutzutage.

Das ungemein spielfreudige Wiesbadener Ensemble lässt sich auf dieses verwirrte Hin und Her mit Verve ein: Thomas de Vries singt den Grafen mit Nachdruck, hat allerdings Probleme mit Mozarts überirdischem "Contessa perdono". Sharaon Kempton verbreitet als Gräfin Sopran-Wohlklang, doch will sich die elegische Faszination nicht einstellen. Mit Guido Jentjens und Thora Einarsdottir ist ein selten erlebbares Paar Figaro/Susanna zu sehen und zu hören: Jentjens mit dem drohenden Unterton der existentiellen Wut in der vollen Stimme, Einarsdottir mit ihrem schmiegsamen Sopran als vokale Verkörperung der Hoffnung auf neue Verhältnisse. Sandra Firrincieli gewinnt dem Cherubino facettenreiche Aspekte divergierender Gefühlszustände ab. Gabriela Künzler gibt ein eindrucksvoll-ungewöhnliches Rollenporträt als mal nicht Alte-Schachtel-Marzelline. Dem übrigen Ensemble bleibt allerdings nicht mehr, als die gewohnten Standards zu erfüllen.

Doch bei aller Wertschätzung von Bühne, Regie und Gesang: "Star" der Aufführung ist Toshiyuki Kamioka mit dem exzellenten Hessischen Staatsorchester Wiesbaden: federnd fordert er die Instrumentengruppen, hat die Sänger aufmerksam im Auge, lässt die Gefühlswelten Mozarts leuchten, beherrscht die delikate Dynamik und lässt die Freude an dieser genialen Musik lebendig werden.

Im fast ausverkauften Wiesbadener Haus das diszipliniert-traditionsbewusste Publikum und dazu Gruppen Jugendlicher in den oberen Rängen: alle angetan vom Gebotenen - die Älteren durch prima Gesang und Musik, die Jüngeren durch das offenbar nicht erwartete muntere Spiel (dass einige Kids ihren üblichen Jokus treiben, ist wohl nicht zu vermeiden, doch herrscht auch bei diesen immerhin während der Bühnenaktionen Ruhe). (frs)






Fotos: © Martin Kaufhold