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Fakten zur Aufführung 

DAS WUNDERTHEATER
(Hans Werner Henze)
DER KAISER VON ATLANTIS
(Viktor Ullmann)
30. Juni 2006
(Premiere: 6.5.06)

Nationaltheater Weimar

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Realität und Illusion

Gelüste von Macht, Gewalt, Illusionen und eine Kamera, die für Sensationshungrige alles festhält. Auch wenn Hans Werner Henzes „Wundertheater“ und Viktor Ullmanns „Kaiser von Atlantis“ Kriegsgeschehnisse des zweiten Weltkrieges verarbeiten, Kameras in modernen Operninszenierungen häufig Verwendung finden und Ereignisse gerne überinterpretiert werden, büßten die hier gezeigten Stoffe nichts von ihrer Aktualität ein. Udo von Ooyen brachte sie in seiner Inszenierung eher sehr eigensinnig auf den Punkt, indem er überrumpelnde Automatismen und gewaltvolle Verblendungen genau so wie fein ziselierte Emotionen in all ihrer Länge zeigte. Es war etwas da, dem man sich nicht entziehen konnte, die klaren Grenzen zwischen den Ebenen Realität und Illusion verschwommen. Und dank dem romantisch versteckt gelegenen Industriespielort des e-werkes erhielt die Inszenierung erst recht ihre doppeldeutig dreckig-reale Verruchtheit.

In Henzes „Wundertheater“, 1948 zunächst als gesprochener Text zur Musik entstanden und 1964 zur Oper für Schauspieler umgearbeitet, geht es um eine Illusion, der sich alle, in diesem Fall zunächst übertrieben spießige Mitspieler, schnell hingeben. Angetörnt von einer knallbunt blitzenden Tanzscheibe, legten sie waghalsige Selbstinszenierungen auf das Parkett, während der Musiker (Ralph Ertel) am Rand die Sucht nach dumpfer Einlullung bediente. Alle gaben ihr Äußerstes und überzeugten in den halsbrecherischen Tanz-, Sprech- und Gesangseinlagen: die Wundertheater-Direktoren Chanfalla (Frieder Aurich) und Chirinos (Ulrika Strömstedt) mit bezirzender Verführungskunst und ihr schnell begeistertes Publikum Benito Repollo (Piotr Prochera), Theresa (Heike Porstein), Repollo (Thomas Stache), Juan Castrado (Jens Söndergaard), Juana Castrado (Hellen Cho), Pedro Capacho (Uwe Stickert), ein Fourier (Oliver Luhn) sowie der Gobernádor (Alexander Günther).

Nicht die selbstverliebte Inszenierung, sondern der automatisierte Ideologie-Krieg aller gegen alle führte in Ullmanns „Der Kaiser von Atlantis oder die Todverweigerung“, entstanden 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt, zur Entdeckung der Menschlichkeit und zur Ablehnung des Todes. Die Verkörperung des Todes (Jens Söndergaard) und Harlekin (Uwe Stickert) wurden nicht mehr gebraucht, nur das Opfer des Kaisers von Atlantis (Alexander Günther) konnte die Menschheit erlösen. Damit trat nicht in der knallbunten Illusion, sondern in den versteckt surrealen Momenten die Gefahr von Macht und Ideologie zutage.

Nicht illusionistisch geblendet, aber ebenso verführerisch vermochte die Staatskapelle Weimar unter der Leitung von Marco Comin das Handlungsgefüge eindrucksvoll zu dramatisieren. Neben bekannten Anklängen an Strauss’ Salomé oder Schönberg, entwickelten beide Komponisten gerade in diesen Werken eine ganze eigene Klangsprache mit sehr diffizilen lyrischen Ausdrucksebenen, die die Musiker intelligent und sehr Klangintensiv mit dem Geschehen verbanden. (mk)


Fotos: © Charlotte Burchard