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Fakten zur Aufführung 

DIE WALKÜRE
(Richard Wagner)
10. Juli 2008

Nationaltheater Weimar


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Innere Abhängigkeiten

Die schaurig-schöne, locker in Szene gesetzte Märchen- und Kinderwelt des Rheingold ist vorbei. Im Weimarer Ring des Nibelungen geht es mit der Walküre um die tiefen inneren Empfindungen, um die Seelenqualen angesichts der aus den Fugen geratenen Welt und eines sich immer mehr in sich selbst ausweglos verstrickenden Obergottes Wotan. Dabei gelingen Regisseur Michael Schulz unter weitgehendem Verzicht auf äußere Attribute verstörend eindringliche Bilder.

Wenn Siegmund auf der Flucht vor seinen Verfolgern in Hundings Hütte strandet, gibt es dort weder einen Herd noch einer Esche Stamm, sondern nur die leere Bühne mit einer langen Tischbank, an der unter Hundings Männern auch Wotan sitzt und das Geschehen verfolgt. Und nun entwickelt sich, allein durch Blicke, Körpersprache und Gesten ein faszinierendes Psychogramm der wechselseitigen Macht- und Liebesbeziehungen. Die Mannen Hundings bedürfen hier keinerlei martialischer Ausrüstungen um deutlich zu machen, wer das Sagen hat, wer hier Kriegsherr und wer Verfolgter ist. Allein wie sie stehen, sich bewegen und zur aggressiven Gruppe formieren, drückt alles aus. Wenn Siegmund aus den Händen Wotans das Schwert empfängt (statt es mit Heldenkraft aus der Esche zu ziehen), verweist dies sinnfällig auf die inneren Abhängigkeiten. Dieser zu tiefst gespaltene Wotan kann sich aber auch diebisch und Purzelbäume schlagend über seinen Coup freuen, in Siegmund den ersehnten vermeintlichen freien Helden gefunden zu haben, der seine Pläne ausführt. Würde ihm nicht postwendend in einem exakt gezirkelten Schlagabtausch seine Gattin Fricka unwiderleglich klarmachen, dass er sich die Erlösung von seinen Nöten zu einfach vorstellt. Anrührend und ergreifend auch die Schluss-Szene, als Wotan zunächst alleine auf der Bühne seinen schmerzhaften Abschied von Brünnhilde besingt, sie erst danach im weißen Brautkleid erscheint, und beide sich dann, eng aneinander geschmiegt, zu ein paar letzten zarten Tanzschritten zusammenfinden.

Gegenüber diesen eindringlichen Innenbildern erscheint der Beginn des dritten Aktes mit dem Walkürenritt, der zur Kissenschlacht im Schlafsaal eines Mädcheninternats mutiert, doch etwas problematisch. Das ist weniger ein bewusster Gegenpol, eher ein Bruch des ansonsten sehr stimmig und mit intensiver Personenregie umgesetzten Konzepts der Sichtbarmachung der Seelenqualen.

Wenn man dann noch Solisten hat, die sich zum Teil in neuen Rollen nach dem Rheingold noch steigern, ist der Erfolg sicher. So hat der Hunding von Hidekazu Tsumaya (zuvor Fafner) mit seinem kräftigen Bass an Statur und Stimme ebenso gewonnen wie die Fricka von Christine Hansmann, der die dramatische Partie als Ehe-Hüterin in der Auseinandersetzung mit Wotan offenbar mehr liegt. Voll überzeugend und besser passend nun auch Erin Caves als Siegmund (zuvor Loge) mit seinem auch noch lyrisch geprägten Heldentenor, der sehr weich einsetzen, aber auch mit strahlender Höhe seine "Wälse"-Rufe ausstoßen kann. Etwas zwiespältig der Eindruck von der Sieglinde Kirsten Blancks. Ihre Stimme besitzt das dramatische Volumen, hat auch eine schöne Mittellage, klingt aber unausgeglichen, mit dynamischen Schärfen. In Catherine Foster hat das Weimarer Ensemble nicht nur eine stimmgewaltige hochdramatische, sondern auch zu feinsten Piani und getragenen lyrischen Passagen fähige Brünnhilde. Im Mittelpunkt aber, nicht nur von der Rolle her, stand der Wotan von Renatus Mészár (zuvor Fasolt). Mit seinem wandlungsfähigen, kultiviert artikulierenden Heldenbariton kann er rasenden Zorn herausstoßen, die Ausweglosigkeit seines Bestrebens mit matter Stimme glaubhaft machen, als auch zartestes Töne für den Abschied von Brünnhilde finden.

Auch die Staatskapelle Weimar unter Carl St. Clair konnte sich noch steigern. Das Orchester hatte den großen Atem, die Spannung über die gesamte Zeit gehalten, den Klang zum Blühen und Leuchten gebracht und dennoch immer differenziert musizierend auch die Nebenstimmen und Verästelungen der Partitur zur Geltung gebracht.

Das Publikum, fast schon international mit Englisch, Französisch und Italienisch sprechenden Besuchern durchsetzt, feierte die Leistungen mit langem Bravo-Beifall. Nur direkt nach dem letzten Ton waren einige Buh-Rufe zu hören, die offenbar Unmut über die Regie zum Ausdruck bringen sollten.

Axel Göritz
 






Fotos: Nationaltheater Weimar