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Fakten zur Aufführung 

SIEGFRIED
(Richard Wagner)
12. Juli 2008

Nationaltheater Weimar


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Etwas gegen den Strich gebürstet

Des-Illusion allenthalben. Im Weimarer Siegfried bestimmt Nüchternheit das Geschehen. Jeglicher Zauber ist der Bühne ausgetrieben. Es geht hart und ohne falsche Emotionen zur Sache. Mit der Natur oder romantischen Genre-Bildern haben Regisseur Michael Schulz und sein Bühnenbildner Dirk Becker nichts mehr im Sinn.

Im offenen Bühnenhaus eine angedeutete Zeltbaracke mit Kühltruhe, Tisch und zwei Stühlen - Mimes Heim, in dem er Siegfried in Hass-Liebe groß zieht und vergeblich versucht, aus den zertrümmerten Schwertteilen Nothung neu zu schmieden. Siegfried mit cooler Kappe, in kurzen Hosen, darf sich als pubertierender Rüpel austoben und als Liebesersatz mit seinem Riesenteddy kuscheln. Statt auf den Amboss klopft Mime zu Siegfrieds Schmiedelied auf seine Körner im Brei. Dank der wieder intensiven Personenregie und einem sehr agil spielenden und singenden Mime (Frieder Aurich) funktioniert das Konzept mit seinen ironischen Brechungen zunächst wieder - führt allerdings in der Rätselszene zwischen dem Schmied und dem Wotan-Wanderer (Tomas Möwes) zu Längen. Wenn dann allerdings der wilde, furchterregende Drachen Fafner (Hidekazu Tsumaya) nur mehr ein aufgedunsener Fettwanst ist, der sich kaum mehr auf den eigenen Beinen halten kann und geradezu um den Todesstoß Siegfrieds bittet, ist es vielleicht doch zu viel des Realismus’. Und dann setzt die Regie noch eins drauf: Mimes von Siegfried abgeschlagener Kopf kullert über die Bühne und Alberich (Mario Hoff) setzt damit zum Fußballspiel an. Diese Provokation aber, wenn sie denn so gemeint sein sollte, verpufft, das wirkt eher lustig und lächerlich. Das erste Mal in diesem Weimarer Ring kräftige Buh-Rufe zur Pause - und Regisseur Michael Schulz mischt sich unters Publikum, versucht in den erregten Diskussionen Rede und Antwort zu stehen.

Ein eindrucksvolles Bild gelingt wieder mit der Wotan-Erda-Szene, als die vom Gott gerufene Urmutter (Nadine Weissmann mit vollem Alt) aus dem sich langsam öffnenden blutroten Welt-Theater-Vorhang erscheint und nun auch der Wotan von Tomas Möwes wieder die Stimmstärke gewinnt, mit der er als Rheingold-Alberich überzeugen konnte. Die Schluss-Szene mit der Erweckung Brünnhildens durch Siegfried ist – natürlich - auch wieder gegen den Strich gebürstet. Sie kommt mit ihrem Brautkleid aus der Walküre ihm auf einem Steg entgegen, der dann zum gedeckten Hochzeitstisch wird. Faszinierend umgesetzt die nun folgende Interaktion zwischen beiden: Siegfried (Johnny van Hal), voller Angst und Furcht über die aufkeimende Macht der Liebe, ihr zunächst völlig hilflos und irritiert ausgeliefert, umgekehrt Brünnhilde (Catherine Foster), die ihrer göttlichen Kraft verlustig, sich erst gegen das Mensch sein stemmt, Siegfried hart abweist. Diese Irritationen, bis sie sich schließlich ihrer Liebe hingeben können, sind sehr gekonnt in Szene gesetzt und würden noch intensiver erlebt, wenn sie nicht durch das Ritual des Tisch-Deckens gestört würden. In endlos erscheinenden Gängen werden von zwei Frauen erst die Stühle an den Tisch gestellt, dann die Gläser, dann das Besteck aufgetragen und schließlich noch die Blumengestecke und Leuchter platziert. Als dann alles fertig ist, die Gäste (?) Platz nehmen könnten, die Sänger zur Schlussapotheose mit der „leuchtenden Liebe, dem lachenden Tod“ angesetzt haben, verkriechen Siegfried und Brünnhilde sich unter Tisch und Tuch - Vorhang, Schluss. Und ein kurzes, kräftiges Buh-Gewitter mit danach folgendem Bravo-Beifall für die musikalische Seite.

Herausragend wieder die Brünnhilde von Catherine Foster, die nicht nur durch ihre Stimmstärke, sondern mehr noch durch ihre sehr kultivierte Stimmführung zu überzeugen wusste. Der eher leichte als schwere Heldentenor von Johnny van Hal war flexibel und nuancenreich geführt. Der Zauber, der der Bühne ausgetrieben wurde, kam dafür aus dem Graben von der Staatskapelle Weimar unter Carl St. Clair - bewundernswert, mit welcher Intensität das musikalische Fundament des Siegfried erklang.

Axel Göritz

 








Fotos: Nationaltheater Weimar