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Fakten zur Aufführung 

GÖTTERDÄMMERUNG
(Richard Wagner)
13. Juli 2008

Nationaltheater Weimar


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Angstvoll in die Zukunft

Gewalt, rohe, barbarische Gewalt - in der Weimarer Götterdämmerung werden der Betrug, der Verrat und die Rache, in die Siegfried und Brünnhilde ausweglos verstrickt sind, zu Chiffren und Sinnbildern für das, was der Mensch dem Menschen an Grausamkeiten antun kann. Erlösung und Läuterung gibt es in dieser Welt nicht mehr. Noch nicht einmal mehr einen Opfertod Brünnhildens - statt des Scheiterhaufens nur mehr ein müder, allem entsagender letzter Gang Brünnhildes in das dunkle Nichts. Den überlebenden Menschen bleibt nur noch die vage Hoffnung auf das archaische Symbol der Reinwaschung - unter den aus der Bühnenhöhe stürzenden Wassermassen sehnen sie sich nach Tilgung ihrer Schuld.

Die Gewalt-Orgie beginnt schon damit, dass die als Jugend-Gang auftretenden Raben Siegfrieds Ross Grane, kaum dass er bei den Gibichungen angekommen ist, brutal misshandeln. Die Darstellerin von Grane wird in einem sehr realistisch gespielten Akt ohne äußeren Anlass, einfach so, übelst zugerichtet und massakriert. Die Mannen von Hagen sind eine rüde Soldateska, verkommene Landsknechte genauso gut wie heutige Söldner-Schergen, die die angesetzte Doppelhochzeit von Siegfried und Gutrune, von Gunther und Brünnhilde zum Anlass für in aller Drastik gezeigte Vergewaltigungsorgien nutzen. Geopfert und auf die Schlachtbank geführt werden hier nicht Eber und Schafe, sondern misshandelte Frauen. Selbst Brünnhilde prügelt gleich zu Beginn auf ihre Schwester Waltraute (Nadine Weissmann) ein, als diese die Herausgabe des Rings an die Rheintöchter fordert. In der wohl stärksten Szene packt sich die in rasender Rache wütende Brünnhilde Gunther, ihren verhassten Waschlappen von Ehemann, und vollzieht mit ihm aus lauter Trotz auf der Bühne gewaltsam den Geschlechtsakt. Selbst das Wild im Wald gerät zur Chiffre für verfolgte, zusammengetriebene Menschen, die angstvoll ihres künftigen Schicksals harren.

Man kann über dieses Grundkonzept von Regisseur Michael Schulz gewiss diskutieren, mag es für übertrieben halten, in der Ausführung und Umsetzung allerdings leistet er Bewundernswertes in der Personenführung. Das ist in sich stimmig und konsequent und beginnt schon bei der nüchtern spartanischen Bühne (Dirk Becker), in der die Gibichungen-Halle aus einem Podest und rot-braun ausgeschlagenen hohen Wänden besteht. Wenn es um die intimeren Dialoge geht, wird bisweilen auch ganz auf die Bühne verzichtet, vor dem Theatervorhang im Theater wird dann etwa das Komplott zur Ermordung Siegfrieds geschmiedet. Die Sänger-Darsteller gewinnen ein weit über das Übliche hinausreichendes je eigenes prägnantes Profil. So etwa die Rollenzeichnung des Jammerlappens Gunther, der sonst eher etwas am Rande steht, hier aber in seiner kindisch verspielten Art, zugleich weich und fies, mit seiner Pappkrone wie ein schlechter Operettenkönig agierend, in den Mittelpunkt rückt. Nicht zuletzt auch dank Mario Hoff, der nach seinem überzeugenden Rheingold-Wotan auch mit der Gunther-Rolle glänzen kann. Dies gilt auch für den Hagen von Renatus Mészár, der zuvor schon den Wotan in der Walküre verkörperte. In den tiefen Männerstimmen (auch Tomas Möwes als Alberich, zuvor Siegfried-Wotan) hat das Nationaltheater Weimar eine beachtliche Breite gewichtiger Rollenvertreter. Die herausragende Breite ihrer eigenen Stimme stellte erneut Catherine Foster unter Beweis, die alle drei Ring-Brünnhilden sang. Ihr jugendlich frisch klingender hochdramatischer Sopran besticht durch eine auch in den forcierten Stellen nicht ausbrechende Stimme, die voll und ruhig strömt und bei aller Dynamik exakt anspricht und zu den zartesten Tönen fähig ist. Daneben hatte es der Siegfried von Norbert Schmittberg nicht leicht zu bestehen. In der Mittellage heldisch auftrumpfend, hatte er zum Schluss hin mit der Höhe etwas Mühe.

Der Lorbeer aber für die beste Gesamtleistung des Weimarer Ring geht an die Staatskapelle und ihren bisherigen Chef Carl St. Clair, der mit dieser Götterdämmerung das letzte Mal als ihr Generalmusikdirektor dirigierte. Einen derartig durchhörbaren, die Vielzahl der einzelnen Motive ausleuchtenden und dennoch satten großen Wagner-Klang, der seinen Spannungsbogen auch über die fünf Stunden der Götterdämmerung hält, erlebt man auch an größeren Häusern nicht allzu oft. Das Publikum feierte St. Clair nicht nur zum Schluss, sondern schon vor jedem Akt. Im Gegensatz dazu musste sich der ebenfalls von Weimar scheidende Operndirektor und Regisseur Michael Schulz einem Buh-Sturm stellen. Aber anerkennenswert, dass er sich zum Schluss seines Rings und seiner Weimarer Arbeit noch einmal dem Publikum zeigte. Für die Sänger einhelliger großer Beifall.

Die Klassiker-Stadt verliert mit dieser Spielzeit die beiden Protagonisten des Weimarer Rings. Regisseur Schulz wird Intendant in Gelsenkirchen, Generalmusikdirektor St. Clair geht in der gleichen Position an die Komische Oper Berlin. Die Weimarer und ihre Besucher wissen ihren Ring aber dennoch zu schätzen, die nächsten beiden Zyklen sind schon gut verkauft. Für eine Stadt mit gerade mal 65.000 Einwohnern und einem knapp 900 Plätze fassenden Opernhaus eine beachtliche Wagner-Nachfrage.

Axel Göritz

 
Foto: Nationaltheater Weimar