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Schönbergs "Pierrot" ist nicht nur
der spektakuläre historische Beginn des "Sprechgesangs" - des Artikulierens
lyrischer Texte ohne Gesang zu sein: die Gedichte Albert Girauds werden
durch Schönbergs expressionistische Komposition von 1912 zu "(gesellschafts-)kritischer
Musik".
In der hermetischen Bühne Anna Viebrocks gelingt der Blick ins Innere,
ins Innere des verzweifelnden Pierrot, der klaustrophobischen Gefangenschaft
der "anderen Pierrots", aber auch ins Innere einer Angst machenden Umwelt.
Christoph Marthaler inszeniert entsprechend mit expressiver Körperbetonung:
autistisch wirkende Bewegungen und Gänge im Stile eines surrealen Totentanzes.
Das Klangforum Wien (Leitung: Roland Kluttig) intoniert mit atemraubender
Präzision, zelebriert die Schönbergsche Komposition als musikalische Dichtung,
vermag mit virtuosem Spiel die Auflösung der Harmonien hörbar zu machen.
Graham F. Valentine ist ein hektisch-verquerer Pierrot, agiert expressiv
- ist ein unmittelbares Objekt diffuser Zwänge.
Das Ensemble fasziniert durch brillante Körperbeherrschung, vermittelt
Ausdruck durch "stop-action" und hinreißende Posen!
In der ausgebauten Gebläsehalle des ehemaligen Stahlwerks Meiderich -
die Bühne verdeckt die industriellen Relikte - braucht das aufgeräumt
wirkende Publikum einige Zeit, um zu konzentriertem Auditorium zu werden
(vor mir sitzt ein schwatzendes schicki-micki-couple, das bis zum Ende
nicht zur Ruhr kommen will - couch potatoes überall). Der Applaus am Ende
ist dann allerdings überwältigend - offensichtlich stimuliert durch die
brillante Interpretation von Olivier Messiaens "Quatour pour la fin du
temps" durch das Klangforum Wien: exzeptionelle "Kammermusik" par excellence,
dargeboten durch hochkarätige Virtuosen am Flügel, des Cellos, der Violine,
der Klarinette, der Flöte (Florian Müller, Andreas Lindenbaum, Sophie
Schafleitner, Bernhard Zachhuber, Eva Furrer). Die Ruhrtriennale feiert
einen weiteren Erfolg. (frs)
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