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Fakten zur Aufführung 

DON GIOVANNI
(Wolfgang A. Mozart)
28. September 2002 (Premiere)


RUHRtriennale
(Restspielhaus Recklinghausen)


TRIEB UND ZWANG



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Mozarts hinreißend emotionale Musik bestimmt den Don Giovanni der Ruhrtriennale: Hans Zender dirigiert das Mahler Chamber Orchestra bewusst verzögernd im Stile Harnocourts, kostet die Kantilenen aus, "schwingt" mit Streichern und Solisten, setzt effektive Fermaten, powert mit dem Blech, fordert das Holz - und das alles im rational-verzaubernden Geist der unendlichen Möglichkeiten einer himmlischen Partitur.

Diese wunderbare "Begleitung" wird vom international hochklassigen Solistenensemble begierig aufgegriffen und in exquisiten Gesang umgesetzt. Stephane Degout ist ein lockerer, nicht wüstlinghafter Giovanni, stimmlich flexibel mit weichem Timbre. Jose Fardilha gibt den Leporello als unverwüstliches Faktotum, voller Temperament mit ungemein präsentem Bariton; Martens Butler hält sich als frustrierter Masetto klug zurück, während Toby Spence einen aktiven Ottavio präsentiert, die lyrischen Passagen fantastisch leichtschwebend in schönem Legato gesungen; Anatoli Kotscherga gewinnt mit dunklem Bass dem Commendatore nachdenkliche Konturen ab. Die Zerlina von Maria Fontosh strahlt unbändige Lebensfreude aus, brilliert mit schönen Koloraturen. Die Top-Stars sind zweifelsfreie Maria Bayo und Catherine Naglestad als Anna und Elvira. Was immer an Interpretationsmöglichkeiten dieser beiden legendären Frauenrollen gesagt wurde - hier wird es Ereignis. Die Bayo flüchtet nicht in wehleidige piani, beherrscht ihre Tessitura virtuos und lebt die Anna in vollkommener Harmonie mit der Musik; Naglestads Elvira vermittelt mit ihrem glasklaren Sopran Enttäuschung, Hoffnung, Wut, Liebe in vollendetem Legato, atemraubend in der Phrasierung! Dazu ein perfekter Chor der Ruhrtriennale - stimmlich aufgeräumt, aktionssicher.

Klaus Michael Grübers Regiekonzept findet seine sinnlich erfahrbare Umsetzung im hyperrealistischen Bühnenbild Eduardo Arroyos: albtraumhaft überdimensionierte Versatzstücke der Alltagswelt (Kerzen, Flutlichtmast, Kacheln, Türklopfer, Stühle) verweisen die Personen auf ihre Winzigkeit. Allein Giovanni ignoriert die gegebenen Zwänge, spielt seine Triebe unbefangen aus, während alle anderen voller Ängste sich um sich selbst zurückziehen, kommunikative Kontakte vermeiden oder zerstören. Im Finale - nach Giovannis Abgang in den passo estremo - scheint ihnen bei knallenden Sektkorken weniger die "Befreiung" vom "unmoralischen" Giovanni feiernswert als vielmehr die Befreiung zu offenem Verhalten miteinander.

Die Atmosphäre im Recklinghäuser Festspielhaus ist international; sehr offen, sehr konzentriert, sehr begeistert; die akustischen Defizite werden verziehen - zumal die Regie den nervenkönnenden Hall genial in die Personenführung einbezieht und die perfekt-lustvolle Bühnenmusik vieles kompensiert. Die Ruhrtriennale hat ein weiteres highlight (im übrigen: eine Eigenproduktion!) auf dem Weg zum international beachteten Festival! (frs)

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Foto: © Ruth Walz