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Fakten zur Aufführung 

DARDANUS
(Jean-Philippe Rameau)
6. April 2008 (Premiere)

Theater Trier


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Dardanusqualen

Ein Krieger mit eiserner Faust und flatterndem Don-Juan-Ärmel, der die Tochter des Feindes liebt - von diesen Qualen, göttlichem Beistand, Tricks, Eifersucht, Loyalitätskonflikten und glücklicher Lösung erzählt die Geschichte von Dardanus und Iphise. Nacherzählt in Jean-Philippe Rameaus Barockoper, die Wolf Widder in Trier erfolgreich auf die Bühne bringt. Barock ist en vogue auf deutschen Bühnen und wird endlich wieder als das inszeniert, was die ursprüngliche Intention war: Beste Unterhaltung für die bessere Gesellschaft, jenseits kirchlicher Wohlanständigkeit und biblischer Themenbegrenzung. Eine Aufgabe, die in Trier immer noch von besonderer Aktualität ist, solange mit Marx eher zuerst ein Bischof als ein wirkmächtiger Philosoph assoziiert wird.

Die erste Grundsatzentscheidung lautet: Kürzen. Eine knappe Stunde Orchestermusik fällt dem zum Opfer, darunter musikalische Preziosen und Kleinodien. Trotzdem ist die Entscheidung richtig angesichts der Hörgewohnheiten des Durchschnittsbesuchers.

Wurde ursprünglich während der reinen Orchesterpassagen getanzt, integriert Widder gekonnt minimalistisch sechs Akteure der Company in das Geschehen. Ihre Modernität im Ausdruck wie im Outfit steht dem in der klassischen Antike spielenden Stück antithetisch gegenüber und stellt somit die zeitraumübergreifende Klammer für archetypische Konstellationen. Für die sehenswerte Choreographie verantwortlich: Sven Grützmacher.

Eine Inszenierung der leichten Hand, unpompös, spielerisch, dezent. Damit kommt ein attischer Zug der heiteren Gelassenheit in das Ganze, jenseits alles Heldischen und Tragischen. Besonders nachhaltig das Bild des zu befreienden Dardanus, wenn er gnostisch den erlösten Erlöser darstellt und christusförmig in den Seilen hängt. Tiefsinnig die Isménor-Szene, wenn der Derwischtanz des Synkretismus symbolisierenden Sufis im Türkengewand vorüber ist und der unsichtbare Dardanus janusköpfig dem Zauber(er) der Liebe anhängt.

Das Bühnenbild stoisch. Also eine Säulenkolonne, als Raumteilerin, ein Saal, der zum Schlachtfeld wird, wenn die Kleider der Toten herab fallen. Dann wieder Palast, in den das blaue Monster des Neptun als Luftgeist kräftig durch die bodenlangen Stores weht. Die schlüssige Raumaufteilung und -ausstattung ist von Michael Goden.

Die Kostüme erzählen Stimmungen und Situationen. Eva-Maria Weber vermeidet jeden klassizistischen Kitsch, ihre Togen könnten auch heute in Indien unauffällig getragen werden, das trägerfreie Kleid der Iphise unterstreicht in seiner Schlichtheit die Schönheit und Fraulichkeit der Trägerin, farblich im Lichtspiel chargierend zwischen Liebe und Unschuld. Die Chormitglieder tragen ebenso Botschaften wie der kleine Amour, mal bringt die Liebe Tod, mal Glück, verstärkt mit seiner Maske, oder die Punkfrisuren tragenden Tänzer.

Das Orchester nimmt sich wohltuend zurück, Franz Brochhagen gibt dem Gesang, was des Gesanges ist, nämlich den Primat, um in den reinen Orchesterpassagen prächtig aufzutrumpfen.

Eric Rieger spielt nicht nur überzeugend den jugendlichen Helden, Dardanus kommt seinem hohen Tenor sehr entgegen, endlich kann er in Trier sein ganzes großes Können zeigen, seine erotische strahlende Stimme kultiviert einbringen. Ansonsten überzeugen vor allem die Frauen. Adréana Kraschewski wird zu Recht bejubelt für ihre anmutige und anrührende Iphise, herausragend klangschön und fein differenziert. Evelyn Czesla zeigt als strahlende Venus, warum sie gerade eine CD („Incantare“) mit barocken Liedern und Arien aufgenommen hat. Hohe Gesangskultur. Eva-Maria Günschmann weiß mit ihrem charaktervollen Mezzosopran in der Rolle des (großen) Amour zu überzeugen. Immer noch eine große Stimme und Ausstrahlung: Pawel Czeskals in der Rolle des Zauberers Isménor; Andreas Scheel spielt und singt den Antipoden von Dadarnus, Anténor; László Lukács den Teucer. Wie man mit nur 17 Mitgliedern als Chor großen Klang mit Einsatzgenauigkeit und Stimmschönheit erzeugen kann, belegt diese Aufführung (Choreinstudierung Jens Bingert).

Das Publikum zeigt sich sehr angetan von der Inszenierung wie von der Leistung des gesamten Ensembles. Man ist zu Recht stolz, was dieses kleine Haus auf die Bühne zu bringen vermag.

Frank Herkommer

 






Fotos: Friedemann Vetter