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Fakten zur Aufführung 

GRETE MINDE
(Sören Nils Eichberg)
8. September 2009 (Uraufführung)

Pfarrhof St. Stephan Tangermünde
Theater der Altmark Stendal


Points of Honor                      

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Gestörte Premiere

Tausend Jahre Tangermünde: Kein x-beliebiges Stadtjubiläum, vielmehr die Erinnerung an eine mittelalterliche Kaiserresidenz, an die Altmark als „Herz Preußens“, an die Katastrophen des Dreißigjährigen Kriegs, an den verheerenden Stadtbrand von 1617. Schuldig sollte sein eine rachedürstende Frau, die wegen Erbschaftsstreitereien die Fachwerkhäuser und Scheunen in Brand gesetzt haben soll. Theodor Fontane schuf 1880 mit seiner Novelle „Grete Minde“ ein literarisches Denkmal dieser desaströsen Zeit mit ihren menschlichen Verwerfungen. Grete Minde ist als undurchsichtig-geopferte Person das Trauma der Stadt-Geschichte, ihr brutaler Hinrichtungstod wird mittlerweile als Justizmord verstanden.
Constanze John erarbeitet ein Opernlibretto nach Fontanes Vorgabe, fügt verstärkende Puppentheater-Szenen ein und bemüht sich um Erklärungen für Grete Mindes Motive.
Sören Nils Eichberg komponiert dazu eine Musik, die modern daherkommt, ohne seriellen Prinzipien zu folgen, vielmehr eine Klang-Basis schafft, auf der mittelalterliche und kirchliche Verweise wieder erkennbare Atmosphäre schafft.
Arno Waschk dirigiert das speziell zusammengekommene 24köpfige Orchester mit differenzierender Intensität, vermittelt einen instrumental souveränen Klang, unterstreicht die Stimmung der Szene, und begleitet die Gesangs-Solisten zuverlässig ohne Dominanz.
Katrin Gratopp ist eine komplex motivierte Grete Minde, verfügt über stimmliche Substanz zum Ausdruck ambivalenter Emotionen. Mit Kai-Ingo Rudolph ist der Kumpan Valtin mit präziser Artikulation zu hören; Hanna Dora Sturludottir als Trud und Hans Lydman als Gert geben den feindseligen Verwandten der Grete nachhaltig-emotionalisierende Stimmen; Marcel Hoffmann verleiht mit seinem hörenswerten Counter dem rätselhaften Narren überraschende Statur.
Dirk Steffen Göpfert stellt bewegliche mittelalterlich anmutende Säulen auf die Bühne neben der monumentalen Pfeilerwand der himmelanragenden Stephanskirche – schafft differenzierende Räume mit intimen Nischen.
Markus Dietze inszeniert ein vielfältiges Spiel um die so dramatisch beschuldigte Grete Minde mit ihren Aversionen und Leiden – durchaus nachvollziehbar, aber ohne atemraubende Konstellationen.
Das Publikum auf der Tribüne im charismatischen Pfarrhof folgt der Handlung mit großem Interesse, erinnert sich an die bekannten Erzählungen, reagiert auf Szene, Musik und Gesang mit respektvoller Hochachtung – die Kenner der Historie sind eindeutig in der Mehrzahl!
Dieses Highlight der Tausendjahrfeier einer beeindruckenden Stadt-Historie mit ihrer mutig-unkonventionellen Oper zur Stadtgeschichte wird allerdings gestört: Da pflanzt sich am Rand der dritten Reihe eine bornierte Pressemaid auf – begleitet von zwei weiteren Kompagnons – und demonstriert ihre Übungen in Sachen Fotografie coram publico, ist kommunikativ nicht zu bremsen und ist offenbar resistent gegen alle Ermahnungen. Dabei liegen Probenfotos des Theaters der Altmark vor: Was um Himmels willen treibt die lokalen Medien, ihren unmündigen Nachwuchs in die Unprofessionalität zu schicken?
Aber es ist auch ein Monitum an die Adresse der Veranstalter: Wer über 500 Kilometer anreist, um die Uraufführung einer Oper in einer faszinierenden Stadt zu erleben, darf sich doch wohl sicher sein, nicht durch ignorante Dilettanten gestört zu werden!

Franz R. Stuke

P.S.: Aus den genannten Gründen wurde die Aufführung vom Hintergrund des Pfarrhofs aus wahrgenommen - ein Lob an die prima Tontechnik!