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Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang A. Mozart)
19. März 2004


Staatstheater Stuttgart




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Widersprüchlich

Das Kollagenhafte der Zauberflöte war für den Regisseur Peter Konwitschny ein wesentliches Element, das er in seiner Neuinszenierung deutlich herausstellt. Die Widersprüchlichkeit in den Charakteren hat ihn gereizt, die Personen realistisch zu zeigen, nicht märchenhaft überhöht. Eine Entzauberung hat stattgefunden: Konwitschny zeigt Tamino (Johan Weigel) als draufgängerisch, unbedarft, von sich überzeugt und letztendlich ziemlich unsympathisch, da ohne tiefe Empfindung.

Die Bildnisarie wird zur Lachnummer durch die Videoeinspielung der Hochzeitsbilder von Diana und Charles, auf deren Gesichter die der Solisten montiert sind - die erste Vergewaltigung von Mozarts Musik an diesem Abend. Pamina ist ein resolutes Mädel im Tank-Top, die sich recht gut zu wehren weiß und von Tamino nicht wirklich viel hält, doch durch Alexandra Reinprechts Interpretation berührt diese Figur am stärksten.

Alle Protagonisten scheinen in ein Regiekorsett gezwängt, das für Mozarts musikalische "Sentimentalitäten" nichts übrig hat. Die Königin der Nacht als abgewrackte Säuferin im Glitzerkleid zu zeigen, die zu hysterischen Anfällen neigt, ermöglicht eine psychologisch interessante Perspektive, und zum Glück singt Barbara Baier die Koloraturen präzise und wahrt so die Würde der Figur. Gelungen sind die Auftritte der drei Damen (Karine Babajanian, Maria Theresa Ullrich, Helene Ranada) als Stewardessen, die Idee, die drei Knaben in jedem Auftritt neu zu besetzen (erst als Sängerknaben, dann als Zimmermädchen und zuletzt als Putzfrauen), oder Papagena in den gesprochen Auftritten wirklich mit einer alten Schauspielerin zu besetzen. Auch die letzte große Szene Papagenos (Rudolf Rosen) als Entertainer im rosa Trikot vor dem Show- Publikum des Chores ist eine willkommene Abwechslung nach der langen Bespielung des Glitzervorhanges im zweiten Teil mit den Szenen der Eingeweihten und Sarastros (Attila Jun), deren synchron-übersetzter Dialog sowohl unverständlich als auch zu lang ist.

Der Bühnen- und Kostümbildner Bert Neumann hat den Fokus des Regisseurs auf die Personen durch Reduzierung der Requisiten und Weglassen von bebildernden Bühnenelementen voll unterstützt. Ein Orientteppich dient sowohl als Schlange als auch als Spielwiese des Geschehens, die drei Pforten sind klapprige hereingerollte Holzkonstruktionen und der besagte Glitzervorhang wird ausgiebig bespielt. Außerdem werden ja noch einige Videos projiziert, zum Beispiel Weltraummotive, der Lebensweg eines Mannes von der Geburt an oder Pin-ups zum Duett "Bewahret euch vor Weibertücken" (Filmregie Philip Bußmann).

Alle diese Bemühungen um ein neues, bloß nicht langweiliges Bühnengeschehen haben den großen Nachteil, dass die Musik zu stark in den Hintergrund gedrängt wird, nur als Klangteppich für szenische Interpretation dient und nicht mehr wirklich berührt. Das Staatsorchester unter Lothar Zagrosek spielt sauber und macht brav alle Mätzchen mit, aber der musikalische Eindruck bleibt blass, sogar bisweilen lieblos (Bildnisarie, Terzett "Soll ich dich, Teurer nicht mehr seh´n). Der Chor dagegen klingt phantastisch und beschert neben den Ensembles der Solisten die akustischen Glücksmomente.

Erstaunlich, dass man das Opernpublikum heute wirklich durch rammelnde Stofftierchen zum Lachen bringen kann, aber in Stuttgart wurden die zahlreichen Fingerzeige unter die Gürtellinie verstanden und für witzig befunden, auch kommentierende Einwürfe während Arien oder an den Dirigenten hatten tatsächlich Unterhaltungswert für einige Zuschauer. Die Ausführenden wurden wohlwollend beklatscht, doch waren auch Stimmen des Bedauerns von zu kurz gekommenen Mozart-Fans zu hören. (if)






Fotos: © A.T. Schaefer