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Fakten zur Aufführung 

TESEO
(Georg Friedrich Händel)
18. Juli 2009
(Premiere: 2. Mai 2009)

Staatsoper Stuttgart


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Moderne Mythen

In diese Oper hat Georg Friedrich Händel ein Liebesduett hineinkomponiert, wie es schöner nicht sein kann: Teseo und Agilea mögen sich, so richtig von Herzen und sind bereit, alle bösen Konsequenzen auf sich zu nehmen. Da verschlingen sich die Ornamente und Koloraturen, da gibt es ein dialogisches Geben und Nehmen der Gesanglinien, wie es inniger und strahlender zugleich nicht sein kann. Jacek Laszczkowski, der polnische Sopranist, und Jutta Böhnert, Sängerin mit steiler Karriere zwischen Pamina und Gilda, verkörpern dieses Duett an der Staatsoper Stuttgart in idealer Weise. Schöner geht’s nimmer, allein schon diese zehn Minuten, die fürs Publikum eine Unendlichkeit an Entrückung bedeuten, sind jede Reise ins Schwabenland wert.

Dort, vor Ort, merkt man auch in Pausengesprächen nichts von den heftigen Turbulenzen in Sachen Intendanten-Suche, bei der sich Minister Frankenberg nicht mit Ruhm bekleckert. Doch einen tapferen Schwaben ficht das nicht an, dort rund um den Schlossplatz und Landtag sind die Leute selbstbewusst und manchmal allzu selbstzufrieden. Denn immerhin ist vorbei die Zeit, als Stuttgart unter Klaus Zehelein regelmäßig den Titel „Opernhaus des Jahres“ einfuhr. Jetzt also hat Igor Bauersima Händels 1713 in London uraufgeführtes Werk Teseo in Stuttgart inszeniert. Als zeitlose Kunde von rasender Eifersucht, von Treue bis in den Tod (zum Glück nur beinahe!), von Läuterung und politischem Machtgefüge, dessen Verwerfungen böse enden könnten, würde nicht die barocke Oper ein halbwegs gutes Ende fordern, um den realen Potentaten einen guten Weg zu weisen.

Bauersima bietet dem Publikum ein Kaleidoskop an Chiffren, die hauptsächlich auf die Bühnenelemente – verschiebbare, nach Höhe strebende Quader und Prismen – projiziert werden. Natürlich per Video (Georg Lendorff), denn unsere Welt verlangt bewegte Bilder. Da drängt einiges ins Bild; Assoziationen an Sozialismus und Faschismus ergeben sich, wenn moderne Volkstribunen lautlos lauthals ihre Phrasen dreschen. Optische Collage-Fetzen zwischen Maschinenwelt und Funktionengleichung plus Comic-Partikel zeigen Entfremdung und vor allem keine durchgängige Regie-Idee. Das mag verstören oder illustrieren, langweilen oder nerven, doch scheint die Darstellung moderner Mythen insofern sehr gelungen, weil ein genialischer Sog zur Musik entsteht. Helene Schneiderman singt und spielt hier im eleganten Kostüm eine furiose Medea, Kai Wessel einen zur Selbstaufgabe fähigen Herrscher Egeo; sein heller, schlanker Countertenor mutiert am Ende zum Bariton. Olga Polyakova als umworbene Clizia und Matthias Rexroth als zögerlicher Arcane komplettieren das Ensemble bestens.

Konrad Junghänel, ausgewiesener Barock-Kenner, dirigiert das Staatsorchester Stuttgart. Das hört sich gut an, allerdings sind reine Spezial-Orchester noch firmer in der historisierenden Spielweise. In Stuttgart hätte man sich ein paar Gramm mehr an klanglicher Zuspitzung, ja Schärfe oder zumindest Würze gewünscht.

Eckhard Britsch

 
 
Foto: Staatsoper Stuttgart