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Fakten zur Aufführung 

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
(Richard Wagner)
25. Januar 2008 (Premiere)

Staatsoper Stuttgart


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Triebgesteuertes Eigenleben

Geschäftsmänner, die in schwarzen Anzügen und mit Computern bewaffnet auf einer Theaterbühne umherirren: schon oft genügte dieses Bild, um die Realität eines modernen Menschen zu suggerieren. Doch wo viele Inszenierungen nur mit glatt gebügelten Jacketts faszinieren können, zauberte das Staatstheater Stuttgart im „Fliegenden Holländer“ ein modernes Szenario mit beklemmender Realität.

Ursächlich angestoßen vom katalanischen (Skandal-)Regisseur Calixto Bieito, gerät Wagners Oper damit zur grell blitzenden Maske eines erschöpften Volkes, das nur noch Geld, Erfolg und Macht als Antriebsfedern besitzt. Bieitos Charaktere zerbrechen an ihren eigenen Sehnsüchten und Träumen, weil sie von der Realität – und nicht wie bei Wagner von einem mythischen Fluch – getrieben sind.

Auch wenn das Staatsorchesters Stuttgart unter der Leitung von Enrique Mazzola trotzdem unter einem dumpfen Fluch zu leiden schien, der mit schleppenden Tempi zeitweilig das Geschehen bremste, verhalf Bieitos Inszenierung der Wagner-Oper zu einer erstaunlichen Aneinanderreihung stimmiger Szenarien, die dank des Bühnenbildes von Rebecca Ringst und der Kostüme von Anna Eiermann ihre ganze illusionistische Bandbreite entwickelten.

Innerhalb des gläsernen Bunkers führte jede Figur – auf die Spitze getrieben beim apokalyptischen Chor der Mannschaft des fliegenden Holländers – ein triebgesteuertes Eigenleben. Leidenschaftlich verkörperte Barbara Schneider-Hofstetter Sentas Kampf um eine befreiende Liebe. Ihr prächtig schillerndes Stimmvolumen verhalf dem Geschehen zu einer dramatischen Kraft und lieferte damit den passenden Gegenpart zu Yalun Zhangs Holländer, dessen innere Obsessionen in seinem satten Bass eindringlich hervortraten. Attila Jun konnte sich als wendig-brutaler Geschäftsmann Donald durch seine Flexibilität vom Geschehen abheben, wohingegen Lance Ryan als Georg (bzw. Erik) an Prägnanz einbüßte.

Beeindruckend auch der Staatsopernchor Stuttgart, dessen geleckt gekleidete Hausfrauen mindestens ein dickes Stück Fleisch oder eine totes Kind im Kühlschrank versteckt hatten.

Bieitos Wagner-Debut bricht erfrischend mit den heroischen Wagner-Inszenierungen, die einer anderen Zeit zu entstammen scheinen und häufig sich selbst genügen. Dies nahmen anscheinend einige Leute zum Anlass, daraus einen lauten Skandal zu formen. Vielleicht weil sie sich selbst erkannten?

Meike Knoche

 

 

 






Fotos: Sebastian Hoppe