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Fakten zur Aufführung 

ELEKTRA
(Richard Strauss)
8. April 2007

Staatsoper Stuttgart

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Musik

Gesang

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Familiendesaster

Peter Konwitschnys Kopenhagener Elektra von 2005 bestätigt auch in Stuttgart die ungeheure Wirkung der bedeutungsmächtigen „Theatersprache“. Elektras Motive sind eindeutig, ihre Vater-Fixierung und Orests Muttermord lassen beide zu Instrumenten weiterer Vernichtung werden. Zu akustischen Maschinengewehr-Salven und optischem Feuerwerk steht die Prophezeiung Heiner Müllers : „Es lebe der Haß, die Verachtung, der Aufstand, der Tod. Wenn sie mit Fleischermessern durch eure Schlafzimmer geht, werdet ihr die Wahrheit wissen.“

Die monumental-intime Bühne (Spiegelwand, Wohnzimmer-Möbel) von Hans-Joachim Schlieker und das stimulierende Licht von Manfred Voss schaffen die Räume für kommunikatives Handeln.

Peter Schrottner steigert die Ekstasen der Strauss-Musik mit dem exzellenten Staatsorchester Stuttgart in höchster Emotionalität bis zum Exzess - verliert dabei aber nicht die Kontrolle, hat den Gesamtrhythmus des Werks als permanente Folie.

Barbara Schneider-Hofstetter ist eine vater-fixierte Rache-Tochter, noch im Hass auf ihre Mutter, der Verachtung ihrer Schwester und der Hoffnung auf ihren Bruder wie von unsichtbaren Zwängen gedrängt. Stimmlich bewältigt sie die exorbitanten Herausforderungen mit Bravour – überwältigend klangsichere Höhen wechseln mit gehauchten piani, dabei ständig den dramatischen Ausdruck wahrend. Leandra Overmann ist eine hysterisch-verzweifelte Klytämnestra, mit einer sich hemmungslos austobenden Stimme – ein phänomenales Rollenverständnis und ein bewundernswerter Mut zum Ausreizen aller stimmlicher Möglichkeiten.

Marcela de Loa ist eine Chrysothemis mit alternativer Lebenspragmatik, aber kein bereitwilliges Opfer; diese Ambivalenz vermittelt die Sängerin mit spannungsvoller stimmlicher Intensität und emotionalen Ausbrüchen. Wolfgang Schöne ist ein fast apathischer Muttermörder, setzt diesen gebrochenen Charakter sowohl durch distanzierte Bewegung als durch zurückgenommenen Gesang hocheindruckvoll in Szene. Hans-Dieter Baders Ägisth lässt einen empört-ahnungslosen Schuldigen sehen und hören. Die Besetzung der übrigen anspruchsvollen Rollen (Vertraute, Diener, Mägde) ist eine Dokument des außergewöhnlichen Reichtums großartiger Stimmen an der Stuttgarter Oper.

Das Stuttgarter Publikum allerdings wird wohl nie die Nr.1 in der Republik - dazu müssen zu viele mit beredtem Aufwand von der Pausenbestellung am Büfett abgehalten werden, dazu gibt es zu viele abwertend-ignorante Kommentare zur einleitenden „Badewannen-Szene“ und zum toten Agamemnon auf der Bühne. (frs)


Fotos: David Graeter