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Fakten zur Aufführung 

WERTHER
(Jules Massenet)
3. Mai 2009 (Premiere)

Opéra National du Rhin Strasbourg


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Liebesleid vor grüner Wiese

Die Frauen sind ins Weiß der Unschuld gewandet, die Herren tauchen im seriösen Biedermeier-Habit auf; nichts soll den gesicherten bürgerlichen Raum stören. Liebenswerte Idylle scheint das Motto in Strasbourg, wenn Werther von Jules Massenet in zarter Beseeltheit die Bühne belebt. Kein aufgesetztes Modernisierungsprogramm scheint die Szene zu stören, denn Regisseurin Mariame Clément belässt die Bilder in Goethes Zeit und konzentriert ihre Arbeit ganz auf das Seelenleben ihrer Protagonisten. Gleichwohl bricht ein Störenfried das Herz der Charlotte, sonst hätte diese Oper keine Entwicklungschance, so sehr sich die frisch Vermählte auch gegen ihre Gefühle wehren mag, in steter Erinnerung an ihre Treuepflicht zum Gatten Albert. Doch zum Liebesschwur kommt es erst im Todesröcheln des Werther, an dessen weißer Hemdbrust dekorativ das Rot der Schusswunde sich verbreitert.

Seufz, ach, das Opernsterben ist so schön, und im Opernhaus Strasbourg mit den blattgoldenen Verzierungen, den vier Rängen und den Plüschsesseln allemal. Weil die Inszenierung den Sturm der Gefühle in diskreter Plausibilität außerordentlich nahegehend präsentiert und dabei auch das eine oder andere Gran Ironie einstreut. Das ist die Stärke dieser Inszenierung, dass sie Gefühle zeigt, ohne in platte Gefühligkeit zu verfallen. Im ersten Bild tummeln sich die Figuren auf schräg abfallender Wiese, später wird hier ein Tisch wie zu einer Abendmahlsszene stehen, dann eine „gute Stube“, zuletzt eine karge Kammer, in der sich Werther meuchelt. Videoeinblendungen zum Orchestervorspiel (fettFilm - Momme Hinrichs und Torge Møller) zeigen den „deutschen“ heimelig-unheimlichen Wald, blenden der Charlotte ins Auge, zeigen ihren Nacken, lassen die Bilder verschwimmen und schaffen eine magische Aura. Im Schlussbild zeigt die Regie Charlotte ungefähr im sechsten Monat schwanger, weshalb den armen Werther blitzartig die Erkenntnis trifft, dass seine Liebesmüh’ umsonst. Da bleibt ihm nur der Bühnentod.

Doch das Schönste an dieser Produktion ist die Musik, die der französische Großmeister Michel Plasson mit dem Orchestre symphonique de Mulhouse wunderschön plastisch, mit herrlich ausgeführten Übergängen, inspirierter Emotionalität und sensibler Sängerführung aufblühen, zuweilen auch aufblitzen lässt. Das Sängerensemble lässt kaum Wünsche offen. Der lyrisch-dramatische Mezzo von Béatrice Uria-Mozon scheint ideal timbriert, und das Spiel dieser Sängerin zeigt alle Innigkeit und beherrschte Qual dieser Figur. Vom Typus her neurasthenischer, filigraner, auch nervöser hätte man sich den Werther gewünscht, damit sich die Fiebrigkeit seiner Leidenschaft nicht nur aus der Stimme heraus erklärt hätte. Aber als Tenor trumpft Paul Groves groß auf. Der helle Sopran von Hélène Guilmette passt bestens zur Figur der Sophie, während Marc Barrard den seriösen Gatten Albert mit verhaltener Glut ausstattet. René Schirrer füllt die Rolle des Bailly mit feiner Basslinie aus.

Fazit: Kann man gut hingehen. Der künftige Generalintendant Marc Clémeur will übrigens die Attraktivität seines Hauses stärker nach Deutschland orientieren. Recht so, Konkurrenz belebt das Geschäft, aber mit Freiburg, Karlsruhe und Mannheim gibt eine starke Rheinschiene diesem Ansinnen kräftig kontra.

Eckhard Britsch