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Fakten zur Aufführung 

SIEGFRIED
(Richard Wagner)
30. Januar 2009 (Premiere)

Opéra national du Rhin Strasbourg


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Vom Sturm zerzaust

Moden kehren zurück, fast vorhersehbar. Wer lange genug seine Klamotten im Kleiderschrank aufbewahrt, der ist irgendwann wieder „in“. Mit Regiekonzepten mag es ähnlich sein. Eigentlich liebt der moderne Mensch Wagner entschlackt. Den Ring sowieso, denn seine wabernden Mythen sind eher in einem abstrakten Raum erträglich, in den jeder hineindenken kann, was er will. David McVicar macht in seinem Straßburger Ring-Projekt gern einen Schritt rückwärts plus einen seitwärts, riskiert also eine Art inszenatorischen Rösslsprung. Beim Siegfried zeigt er höchst anschaulich die Entwicklung des Helden vom ungebärdigen, gewalttätigen Burschen zum gereiften Manne, der spürt, dass hingebende Liebe das einzig Wesentliche im Leben sein könnte. So weit, so gut. Weniger gut hingegen, dass Siegfried, den Lance Ryan bemerkenswert gut, standfest und mit nicht nur „heldisch“ getönten Farben singt, seine Jungmannenzeit in einem für heutige Begriffe etwas verstaubt anmutendem Ambiente verbringt.

Denn David McVicar bedient Klischees; ein überdimensionaler Blasebalg sorgt für die Luftzufuhr in der Esse, wo der junge Kraftprotz sein Schwert Nothung schmiedet, im Takt den Hammer schwingend, um dann das glühende Eisen im Wasserfass zum Stahl zu kälten. Alles richtig, aber doch so eindimensional, wenn es zischt und Dauben halten dicht. Dahinter ein zerzauster, entlaubter Wald aus schwärzlichen Fragmenten, als ob der Orkan, der vor kurzem in Südfrankreich reihenweise Dächer abdeckte und Bäume entwurzelte, auch in Straßburg gewütet hätte. Aber hatten wir das nicht schon alles? Auch jenen gnomenhaften „Mime“, der hier mit Klein-Mädchenfrisur sein Unwesen treibt und hin und her tollt. Mehr Kobold als abgründiger Typ, von Colin Judson in gängiger Spieltenor-Charakteristik, aber turnerisch-quirlig präsentiert; weil er den Siegfried großgezogen hat, haut er parallel zum Schmiederhythmus auf den Pizzateig ein und gibt Grünzeug auf den Fladen. Der Bub braucht halt viel zu essen, das Giftgebräu soll das Abendmahl abrunden. Passt.

Passt? Oder sind wir zu geschmäcklerisch geworden, dass solcher Naturalismus uns quer im Magen liegt? Dabei sind doch viele geschmackvoll angerichtete Details zu beobachten. Das Waldvöglein schwebt als Marionette in der Hand der bezaubernd singenden Malia Bendi Merad von oben und sendet Siegfried Signale. Ein Naivling erwacht. Umgekehrt ist wiederum keinesfalls einsichtig, warum Erda, in eine Walzrolle gezwängt, von durchtrainierten Tänzern auf die Bühne gerollt wird. Will es die Regie der dunkel timbrierten Alexandra Kloose besonders schwer machen? Claus Peter Flor am Pult des Philharmonischen Orchesters Straßburg setzt auf hart gesetzte Kontraste, um einen effektvollen Wagner zu präsentieren. Sängerisch fällt dabei besonders schön der „Wanderer“ von Jason Howard ins Ohr, dessen Heldenbariton in rundem, klangreinem Volumen aufblüht. Alberich und Fafner sind mit Oleg Bryjak und Jyrki Korhonen angemessen gut besetzt.

Ende gut, alles gut, denn es geht auch anders. Das Schlussbild wirkt hinreißend in seiner Reduzierung auf Fläche und stählern blasses Licht. Hier entwickelt Jeanne-Michèle Charbonnet die Figur der Brünnhilde mit sängerischer Größe und dringlicher Gestaltung, wenn sie wie Schneewittchen zum irdischen Dasein erwacht. Und der Hörer ist von einer grandiosen Finalszene der Liebenden Brünnhilde und Siegfried hingerissen.

Eckhard Britsch