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Fakten zur Aufführung 

PROSERPINA
(Wolfgang Rihm)
4. Mai 2009
(Premiere: 2. Mai 2009)

Schwetzinger Festspiele


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Gesang

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Verstörende Symbolik

Dies ist die Stunde der Sopranistin Mojca Erdmann, die einen höchst anspruchsvollen monodramatischen Gesangspart als gestalterische Gesamtpersönlichkeit meisterhaft auslebt. Vertont hat das Goethe-Stück Proserpina Wolfgang Rihm, der allseits hoch geschätzte Komponist, als Auftragswerk für die Schwetzinger Festspiele. Es geht um existenzielle Grundfragen, wenn das vom dunklen Gott geraubte Mädchen der Hoffnungslosigkeit eigenes Potenzial entgegensetzt: dem Schicksal entfliehen durch Bewusstwerdung des Frauseins, auch wenn der Lebensraum zu schwinden droht. Eine solche, eher psychoanalytisch zugewandte Sicht scheint die Grundlage für die Inszenierung von Hans Neuenfels, der den mythologischen Stoff mit verstörender Symbolik ins Heute transponiert.

Teils drastische Bilder, wenn die drei Parzen (Christian Natter, Andreas Jähnert, Sascha Jähnert) Szenen von Gewalt und Demütigung heraufbeschwören, wechseln mit außerordentlich sensiblen Charakterstudien der Hauptfigur, denn Mojca Erdmann lässt diese Person vibrieren, getrieben von Urängsten und Lüsten am Rande von Verzweiflung und Lust. Das „Warum, warum ich?“ treibt sie um; das Mädchen erlebt nach dem Genuss des Granatapfels die Wandlung zur Frau als körperliches Wesen im ambivalenten Verhältnis zu ihrem Entführer. Es sind magische Bilder, die auf der Bühne (Gisbert Jäkel) mit den wenigen Accessoires (Bettschrägen, gynäkologischer Stuhl, Vagina-Symbol) die Figuren einander zutreiben und fremd sein lassen. Denn Proserpina bleibt allein mit ihren Ängsten, wird das Leben nur als Vision begreifen können, wenn sie einmal zwanghaft aus der Bahn gedrängt wurde.

So weit, so von eindringlicher Kraft - doch an der Musik, von Wolfgang Rihm für Solosopran, Hintergrundfrauenchor (exzellent: das SWR-Vokalensemble Stuttgart) und individuelles Instrumentalensemble (Radio-Sinfonieorchester Stuttgart unter Jonathan Stockhammer) gesetzt, seien Fragezeichen erlaubt. Zwar wirken die illustrierenden und kommentierenden Elemente erhellend und farbenreich, doch mag im leicht verkrampft wirkenden Vokalpart die innovative Kraft zur Situationscharakteristik vermisst werden. Dieser mögliche Mangel aber wird durch die herausragende Gestaltung von Mojca Erdmann aufgehoben. Sie erntete denn auch zu Recht die meisten Bravo-Rufe.

Eckhard Britsch