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Fakten zur Aufführung 

LUCIO SILLA
(Wolfgang Amadeus Mozart)
24. Juli 2008
Mannheimer Mozartsommer

Nationaltheater Mannheim


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Machtgehabe als Spaßfaktor

Es ist schon ein Kreuz mit dem Volk, das sich so gar nicht wehrt gegen Diktatoren. Da müssen die selbst nachhelfen und für Action sorgen; sich meucheln lassen und intrigieren; grausam sein oder milde, je nach Laune. Kurzum, als ziemliches Tollhaus voll ganz privater Motivationen erscheint dieses alte Rom, in dem Marius dem Lucius Sulla unterliegt, und der Sulla von Lucius Cinna bedroht wird. Es geht drunter und drüber, und jeder behauptet, nur das Wohl des Volkes im Auge zu haben. Der junge Mozart machte daraus, noch ganz im Gedankengebäude der „Opera seria“, seinen „Lucio Silla“, der jetzt beim Mannheimer Mozartsommer im zauberhaften Rokokotheater Schloss Schwetzingen Premiere hatte.

Günter Krämer hat seine Fassung von 2007 leicht überarbeitet, sie ist noch eleganter und intelligenter geworden, denn der Regisseur findet eine brillante Balance aus subjektiver Nabelschau der Protagonisten und einer Einbettung in eine zeitlose, übergeordnete Ebene, auf der Politiker aller Gesellschaftssysteme und Zeiten sich kongruent treffen: Eitle Selbstsucht im Spiegel der Macht.

Günter Krämer findet dafür, unterstützt von Bühnenbildner Jürgen Bäckmann und Falk Bauer (Kostüme), griffige und berückende Bilder. Gleich zu Beginn, wenn Marius (Angelo Truisi) wie eine Mischung von Duce und Berlusconi voller Pathos von Freiheit und Gleichheit schwafelt, ehe ihn die meuchlerische Kugel niederstreckt, und am Ende ein plötzlich und unerwartet großmütig gewordener Lucio Silla dieselben Worte an sein Volk verwendet und verschwendet. Eine Parabel für den hohlen Wahn, denn „das Volk“ ist den Herrschenden herzlich gleichgültig. Es wird nicht gebraucht, es sei denn wie in dieser Inszenierung als Staffage, vor der Lucio Silla sein schillerndes Spiel abzieht; mal wie eine tänzelnde Figur aus der Rocky Horror Picture Show, dann wieder im seriösen Smoking, als Synonym für ein Machtsystem, das Angst und Schrecken verbreitet und eher versehentlich die Opfer der Willkür begnadigt. Diktatorengehabe als Spaßfaktor, einschließlich einiger düster gewandeter Baseballfiguren. Harte Kerle bracht der Machtmensch.

Exzellente Sänger-Darsteller darf das begeisterte Publikum auf der kleinen Bühne bewundern. Lothar Odinius verkörpert in der Titelpartie sowohl personifizierte Zwiespältigkeit als auch Narzissmus pur, und sängerisch ist sein Tenor auf Festival-Niveau. Sein unentschlossener Gegenspieler Lucio Cinna wird vom polnischen Sopranisten Jacek Laszczkowski dargestellt; die Obristenmontur gibt ihm Halt fürs hintergründig parodierende Spiel, und der Ausnahmekünstler brilliert mit seinen eleganten Koloraturen, zu denen er – probeweise – die Diktatorentoga um sich schwingt und den goldenen Lorbeer ans Haupt schmiegt. Cornelia Ptassek ist als leidende Marius-Tochter Giunia eine Idealbesetzung, denn Ausdruck und stimmlicher Höhenflug sind bei ihr eins. Marie-Belle Sandis glänzt in der Hosenrolle des Cecilio, wenn ihr nuanciert timbrierter Alt voller Klage und Aufbegehren tapfer dem vermeintlichen Tod entgegenblickt. Und schließlich Ana Maria Labin als Celia, die im Zentrum der Macht mit hell aufschwingendem Sopran ihr lustvolles Spielchen treibt und als leichtherziger Spielball dennoch die Figuren manipuliert.

Das Nationaltheater-Orchester unter Dennis Russell Davies agiert glänzend im Ausgestalten der Details und im drängenden Zugriff auf die handlungsbestimmenden Partiturelemente. Im letzten Jahr allerdings schien Adam Fischer am Pult noch mehr zu zaubern.

Schlusschor und Sekt für alle, war’s doch nur ein Spiel. Allerdings mit ernstem Hintergrund, liefern einem doch die täglichen Nachrichten verrückt gewordene Potentaten frei Haus.

Eckhard Britsch
 





Fotos: Hans Jörg Michel