Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

BAJAZET
(Antonio Vivaldi)
12. Dezember 2010 (Premiere)

„Winter in Schwetzingen“


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Skurrile Figuren leiden Schmerz im Herz

Eigentlich geht doch in der Barockoper alles gut aus, wenn sich der Tyrann zur Tugend bekehrt und selbstlos irgendwelchen Dingen entsagt, seien es Liebe oder Thron, egal.

Im Pasticcio-Werk Bajazet von Antonio Vivaldi allerdings muss einer sterben, ehe sich alles fügt. Die Titelfigur Bajazet nimmt Gift, damit die anderen glücklich sein dürfen. Schade, denn der aus Brasilien stammende Sänger Amadeu Tasca ist ein tüchtiger Bariton, der diese Figur in Spiel und variablem sängerischem Ausdruck sehr gut darstellt. Aber er stirbt ja erfreulicher Weise nicht wirklich, denn er wird noch gebraucht für die nächsten zehn Aufführungen dieser Oper beim „Winter in Schwetzingen“, für den das Heidelberger Theater das zauberhafte Rokoko-Schloss fünf Jahre lang nutzen konnte.

Dessen Architektur setzt der junge Bühnenbildner Flurin Borg Madsen in seiner ersten Opernarbeit fort, wenn Säulen-Elemente perspektivisch den Bühnenraum eingrenzen und verschiebbar verschiedene Szenen ermöglichen. Passt ganz gut, auch nutzt Madsen die originale Bühnenmaschinerie, sofern sie noch original vorhanden ist. Dem Betrachter mag dieses Detail egal sein, aber es zeigt, wie sehr sich das junge Team mit Ort und Zeitumständen auseinandergesetzt hat. Denn auch Regisseur Daniel Pfluger beschäftigt sich zum ersten Mal mit Oper, und sein Konzept setzt auf den Unterhaltungswert, den das Genre zu Vivaldis Zeit hatte. Der war nicht viel anders als heutzutage bei Fernsehserien wie „Verbotene Liebe“. Pfluger versucht gar nicht, die Albernheiten des Librettos zu kaschieren oder mit Tiefsinn zu befrachten, sondern er spielt mit dem Sujet und spitzt die Figuren aufs skurrile Profil hin zu. Sie scheinen der Commedia dell’arte zu entspringen und feiern auf der Schwetzinger Bühne doppelbödig Auferstehung, vor allem auch durch die schrille Kostümierung von Janine Werthmann.

Kurz zum Inhalt: Der Tatarenfürst Tamerlano, dem Yosemeh Adjei eine kernige Counterstimme al dente leiht und ihn wie einen Halbverrückten spielt, hat den Sultan Bajazet entmachtet. Nach dem Reich will er ihm auch die liebliche Tochter Asteria nehmen, von der Altistin Sophie Cravalho mit intriganter Geziertheit und gelöster Stimmführung auf die Bühne gebracht. Doch die liebt eigentlich Prinz Andronicus, ein unentschlossener Typ, ja eine Karikatur des Kriegshelden mit aufgepolsterten Schultern. Aaron Judischs Tenor wirkt manchmal noch etwas eng, doch sein Spiel fügt sich sehr gut in die Inszenierung ein. Andronicus will lieber auf ein Reich von Tamerlanos Gnaden verzichten, als dass er von Asteria ließe. Herz, Schmerz, o weh. Da ist guter Rat teuer, zumal dieser Tamerlano ja eigentlich aus machtpolitischen Gründen die Erbin von Trapezunt namens Irene ehelichen wollte. Die wird von der Mezzosopranistin Rosa Dominguez, eine führende Barockspezialistin, in schillernder Weise zwischen Parodie und innigster Liebeserklärung in vielen Facetten ausgeziert. Bleibt noch die bezaubernde Hosenrolle der Dienerin Idaspe, von Camilla de Falleiro in geschliffen hellen Koloraturen perfekt ausgefüllt.

Unter dem Dirigenten Michael Form hat das Philharmonische Orchester der Stadt Heidelberg jeweils für den „Winter in Schwetzingen“ in verschiedenen Arbeitsphasen sich eine bemerkenswerte Stilsicherheit und Technik der historischen Spielweise erworben. Schroffe Affekte befördern das Geschehen, einfühlsam werden Rezitative und Arien unterfüttert, die nicht alle von Vivaldi stammen. Deshalb „Pasticcio“.

Das Premierenpublikum hatte seine helle Freude an dieser charmanten Aufführung. Intendant Spuhler geht nächste Saison nach Karlsruhe, dort wartet auch ein Schloss auf ihn und seine Theater-Ideen.

Eckhard Britsch

 









Fotos: Markus Kaesler