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Fakten zur Aufführung 

MARTHA
Friedrich von Flotow)
18. April 2009
(Premiere: 9. April 2009)

Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin


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Gesang

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Inkonsequenzen

Es ist ein „Heimspiel“ – der Mecklenburger Friedrich von Flotow war von 1855 bis 1863 Direktor des Schweriner Hoftheaters! Seine Martha wurde 1847 in Wien uraufgeführt, erlebte einen triumphalen Siegeszug über die großen Bühnen der Welt - bis in den letzten Jahrzehnten das Interesse an dem Werk erlahmte: der Schlager von der „letzten Rose“ war degoutant, die putzige anglophile Aristokraten-Geschichte zu konfus und darüber hinaus zu affirmativ-spießig.

Robert Lehmeier inszeniert nun in Schwerin kein Revival vor-revolutionärer Adels-Bewunderung – wie zuletzt peinlicherweise in Wuppertal und an der Deutschen Oper Berlin geschehen – sondern verlegt das ambivalente Sujet in die manipulierende Szenerie der soap operas. Gespielt wird mit den Klischees der yellow press und den gesteuerten Abläufen von DSDS, Big Brother oder Wetten dass. Das gelingt mit dem Heiratsmarkt in atemberaubender Satire, findet mit dem zweifelhaften happy end zu einem konsequenten Finale. Doch wird es zwischendurch doch arg realistisch, beherrschen konventionelle Konstellationen die wenig inspirierende Szene. Herrlich ironisch die Groß-Projektionen der „Queen“ als Beobachterin der feudalen Abwege ihrer unstandesgemäß agierenden Adels-Damen – in Groß-Aufnahme Hannelies Höchel: ein phantastisches Porträt der Queen, mit allen mimischen Spielarten des not amused!

Markus Meyer schafft die genretypischen Räume – sowohl die karikierende fernsehgerechte Show-Situation als auch das angedeutete bäuerliche Ambiente; er entwirft sexy Kostüme für die Ladies, bukolische Gewandungen für die Bauern-Lümmel und TV-gerechtes Outfit für das Volk.

Matthias Foremny gelingt mit der auch individuell überzeugenden Mecklenburgischen Staatskapelle (Hörner, Streicher, Holz-Bläser) die „Ehrenrettung“ des unterschätzten Flotow: das ist nicht biedermeierliche Gefälligkeit, sondern „Romantik“ in den Facetten von Gefühligkeit und unterschwelliger Bedrohung; die „Letzte Rose“ allerdings bleibt der Schmachtfetzen wie eh und je – und das kann ja nicht anders sein, und dabei bleibt kein Auge trocken.

Das exzellente Sänger-Ensemble der Schweriner Oper realisiert die szenischen und musikalischen Konzepte mit darstellerischer und gesanglicher Brillanz: Ulrike Maria Maier gibt der Lady aristokratischen Hochmut, singt die Bravour-Partie mit Charme und strahlendem Belcanto-Sopran. Frauke Willimczik ist die kapriziöse Nancy, durchaus frivol auf das „Bauern-Veräppeln“ eingehend, stimmlich mit ihrem ausdrucksvollen Mezzo permanent die Emotionen antreibend. Olaf Plassa interpretiert einen gradlinig standesgemäßen Plumkett, lässt darstellerisch das Verlangen nach sexueller Grenz-Überschreitung ahnen und gibt mit differenzierten Zwischentönen seinem zuverlässigen Bariton gekonnte Statur. Andreas Hermann wird mit der fatalen Rolle des Lyonel überzeugend fertig – er ist der heillos Verliebte und zutiefst Getroffene, singt diese Gefühle mit klangschönem Timbre, kann sich zu emotionalisierten Höhen steigern und beweist anspruchsvolles Durchhaltevermögen. Die opulent besetzten Chöre präsentieren sich als überaus spielfreudig und demonstrieren nicht nur in den gemeinsamen Passagen, sondern auch in den vielen Ensembles und Solo-Partien ihre Perfektion (Leitung: Ulrich Barthel).

Das erwartungsvolle Publikum im Schweriner Haus braucht einige Zeit, um sich in die verfremdete Geschichte einzufinden, doch bleiben vielen Zuschauern während des Abends die Zusammenhänge der inkonsequenten Handlung rätselhaft (Was ist mit dem Maskottchen-Schwein und dem tapernden Riesenhund?) - aber optische Eindrücke, Freude am Nonsens, Respekt vor einer grandiosen Musik und hohe Sympathie für die Darsteller wischen alle Bedenken fort: Freude pur! (frs)
 






 
Fotos: Silke Winkler