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Fakten zur Aufführung 

DIE GROßHERZOGIN VON GEROLSTEIN
(Jacques Offenbach)
27. Mai 2010
(Premiere: 23. April 2010)

Staatstheater Schwerin


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Wenn man nicht hat, was man liebt...

Auf einem Pferd posiert sie, die Großherzogin von Gerolstein – ganz in Feldherrnpose und vor einer dem Publikum bestens bekannten Kulisse: dem Schweriner Schloss! Regisseur Arturo Gama lässt Offenbachs Parodie auf Militarismus, Intrigen und Ausschweifungen an einem Adelshof in der heutigen Landeshauptstadt spielen, im Jahr, da man der Stadtgründung vor 850 Jahren gedenkt. Und wer weiß, vielleicht bargen ja die Großherzöge von Mecklenburg in ihrem Schloss auch ein so finsteres Geheimnis wie die Vorfahren derer von Gerolstein in Offenbachs Opéra-bouffe. Wurde doch - einem vorhandenen Geheimgang sei Dank - dereinst Max, der Geliebte einer Vorgängerin der amtierenden Regentin, vom Leben in den Tod befördert.
Und zu diesem irreversiblen Mittel wollen auch die Hofschranzen Puck und Bumm greifen, wurden sie doch ihrer Ämter enthoben und durch den Günstling der Herrscherin ersetzt. Der heißt Fritz. Weil dieser Fritz aber seinerseits nichts von der Gunst der Großherzogin wissen will, sondern in Wanda verliebt ist... Man sieht, das Ganze ist kompliziert! Aber Gott sei Dank kommt es nicht so unbedingt auf die Handlung an, vielmehr auf Spaß am Intrigenspiel. Und den setzt Arturo Gama - nicht ohne historische Anspielungen - in bunte Bilder um, gern auch mit den Farben Blau und Gelb (wie im Wappen der Stadt). Das Dienstflugzeug Ihrer Hoheit ist eine Iljuschin, die Armee wie auch die Hofdamen sind ganz modern in Tarnanzüge gekleidet (Kostüme: Mathias Rümmler). Der Chor (von Ulrich Barthel bestens präpariert) wandelt sich von einfachen Soldaten mit ihren ländlichen Bräuten zum schnieken Hofstaat.
Das ist alles sehr hübsch anzusehen und manch komische Pointe wird gesetzt. Was dieser Inszenierung insgesamt ein wenig fehlt, ist Tempo und Bewegung. Oft bleibt das Spiel auf der Bühne recht statisch, Offenbachs schwungvolle und vorwärts drängende Musik findet hier nicht ganz ihre Entsprechung.
Munter und engagiert führt Paolo Bressan die Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin durch die Partitur, setzt Akzente und stellt gerade die Ensembles sehr schön heraus. Auch gelingen ihm von Anfang an immer wieder schöne Mischklänge zwischen Holz, Blech und Streichern, mal intim kammermusikalisch, mal kräftig aufgedreht. Gleichwohl: noch mehr Spritzigkeit, noch mehr angeschärftes Tempo darf die Partitur durchaus vertragen.

Petra Nadvornik ist eine umwerfend anzuschauende Großherzogin mit wahrhaft königlichem Auftreten – gebieterisch und liebesbedürftig gleichermaßen. Mit frischer Stimme gibt Stefan Heibach den Fritz, einen selbstbewussten kleinen Soldaten, der seinen Vorgesetzten gegenüber ganz schön kühne Töne anschlägt. Der junge Tenor verfügt über gutes, ausbaufähiges Material, hat keine Angst vor der Höhe, neigt indes dazu, dem Orchester davonzulaufen. Gefühl für Tempo und Rhythmus bleiben bisweilen (noch) auf der Strecke. Fritz’ Geliebte Wanda wird von Katrin Hübner absolut quirlig und überzeugend gespielt, bisweilen nur leicht flackernd, aber immer mit Inbrunst und Leidenschaft gesungen.
Christian Hees ist der ewig wartende, etwas trottelige Bräutigam Paul - eher ein verträumter Prinz von Arkadien denn ein feuriger Liebhaber, der er so gern wäre. Auf die Großherzogin jedenfalls macht er keinen besonders großen Eindruck – was nicht an seinem schön geführten Tenor liegen kann.
Gesangliche Höhepunkte bieten die Höflinge: Kay-Gunter Pusch ist ein herrlich verschlagener Baron Puck, Frank Blees ein ebenso markig singender wie hohler und eitler General Bumm – zwei gestandene Sängerdarsteller von Format. Auch Markus Vollberg als Baron Grog liefert eine darstellerisch wie sängerisch überzeugende Leistung in der Rolle des Diplomaten Baron Grog, Dietmar Unger legt das nötige Gewicht in die kleine Rolle des Adjutanten Nepomuk. Vier Ehrendamen sammelt die Großherzogin um sich: herrlich schräge Figuren, die mit Rita Bandelmann, Undine Labahn, Tonka Tacheva und Elisabeth Lengner adäquat besetzt sind.

Schön, wenn das komplette Operetten-Personal ganz zum Schluss einsehen muss: „Wenn man nicht hat, was man liebt, muss man lieben, was man hat...“ Das Schweriner Publikum amüsiert sich blendend bei Offenbachs Großherzogin von Gerolstein, mobilisiert immer wieder gern das Zwerchfell und applaudiert am Schluss ganz begeistert.

Christoph Schulte im Walde

 







Fotos: Silke Winkler