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Fakten zur Aufführung 

CARMEN
(Georges Bizet)
11. Juli 2008
(Premiere: 4. Juli 2008)

Schlossfestspiele Schwerin


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Feuerwerk für den Torero

Licht aus, Feuerwerk an. Alle möglichen pyrotechnischen Effekte werden mobilisiert, um den Einzug des Stars gebührend zu feiern: Escamillo, die Nummer Eins unter Sevillas Toreros! Aber nicht genug mit leuchtenden Raketen und krachenden Böllern – zwei herausgeputzte Pferde traben würdig in die Arena, dann naht er, der hochgewachsene Stierkämpfer, fährt vor in einem sportlichen Ami-Schlitten aus den 70er Jahren, in seiner Begleitung die wunderhübsche Carmen.

Das macht was her, das ist Oper für die Augen. Und mit dieser sinnlichen Opulenz erreichen die Schweriner Schlossfestspiele, die seit Anfang Juli Georges Bizets Kassenschlager unter freiem Himmel präsentieren, ihr Publikum ganz direkt. Seit 15 Jahren verlängern die Festspiele, die vom benachbarten Staatstheater organisiert und durchgeführt werden, die Spielzeit in die Sommermonate hinein. So konnte Intendant Joachim Kümmritz am 10. Juli den 500.000 Besucher bzw. Besucherin begrüßen.

Carmen, die Geschichte von der unberechenbaren Zigeunerin, dem irgendwie bedauernswerten Sergeanten Don José, dem tapferen Escamillo – eine unheilvolle Dreiecksbeziehung unter Menschen mit je unterschiedlichen Gefühlen. Am Ende steht Carmens Tod, alle sind erschüttert.

Sicher ist diese Freiluft-Carmen vor der beeindruckenden Schlosskulisse ein Spektakel – mit über 200 Beteiligten wie dem Opernchor, dem Extrachor, dem Rachwal-Chor, Kinderchor, Statisterie und „Reitverein Hubertus e.V.“. Doch Frank Bernd Gottschalks Inszenierung erschöpft sich bei weitem nicht darin. Er setzt knallige Akzente, aber behutsam. Er verzichtet auf jeden Kitsch, der sich schnell in so manche Festspiel-Produktion dieser Art hineinschleicht. Natürlich bietet ihm Lutz Kreisels riesige Bühne von 70 Metern Breite Raum für Massenszenen wie die zu Beginn, wenn die Arbeiterinnen der Zigarettenfabrik in ihre Pause gehen. Genauso gut aber gelingen Gottschalk ganz intime Momente wie draußen im Wald in Lillas Pastias Touristenkneipe, wo nicht nur bergeweise ein verdächtiges weißes Pulver umgeschlagen wird. Hier nämlich stimmt José seine Blumenarie an – und ist dabei mit Carmen ganz allein. Im nächsten Akt kauert die Schmugglerbande – José gehört inzwischen auch dazu – auf einem unwirtlichen Schrottplatz. Der handgreifliche Zoff der Konkurrenten geht los. Eine halbe Stunde (und einen Opernakt) später der Messerstich in die Brust: José wird zum Mörder seiner Geliebten!

2000 Menschen erleben Abend für Abend diese „Carmen“, die noch bis Mitte August gespielt wird. Durch und durch professionell gemacht, mit guten Solisten und einer formidablen Staatskapelle, deren Leitung sich Generalmusikdirektor Matthias Foremny und Schwerins Erste Kapellmeisterin Judith Kubitz teilen. Keine gelangweilte Routine, wie man sie mitunter bei durchreisenden Tournee-Truppen erleben muss – stattdessen Ope(r)n-Air für ein Generationen übergreifendes Publikum, das dem manchmal ungemütlichen Wind und Wetter trotzt und gebannt dem Krimi auf der Bühne folgt.

In der Titelpartie Hermine May, deren Stimme über das haargenau passende Timbre verfügt, die ihre gesprochenen Dialoge jedoch geradezu ermüdend buchstabiert. Grundsolide Daniel Magdal als Don José – etwas mehr an Brillanz, und er wirkte noch überzeugender. Nico Wouterse schmettert bravourös sein „Toréador en garde!“, doch sein Bariton hat etwas wenig Kern. Ulrike Maria Maier lässt ihren klaren, über alle Register hinweg ausgeglichenen Sopran herrlich funkeln und beglaubigt ihre Rolle als Micaëla, die in Don José verliebt ist, aber neben Carmen keine Chance hat.

Spät wird’s, denn die Vorstellung beginnt erst um 21 Uhr – der Atmosphäre wegen. Wohl deshalb fällt der Beifall eher knapp aus und das Publikum strebt recht zügig den Ausgängen entgegen.

Christoph Schulte im Walde

 








Fotos: Silke Winkler