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Fakten zur Aufführung 

IRRFAHRTEN -
EINE MOZART-TRILOGIE

(Joachim Schlömer nach Mozart)
9. bis 11. August 2006
(Uraufführung: 1. bis 3.8.06)

Salzburger Festspiele

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Lost in interpretation

Ein spannendes Projekt, ein neues künstlerisches Konzept verspricht Joachim Schlömers Triptychon „Irrfahrten“ neben der bloßen Widergabe der übrigen 19 Mozart-Opern in diesem Salzburger Jubiläums-Festspieljahr: Musiktheater als Verschmelzung der Gattungen Musik, Tanz, Schauspiel und Video, außerdem eine den Stücken übergeordnete Erzählebene, die sich mit der künstlerischen Selbstfindung beschäftigt – aufgehängt an Mozarts Lebenslauf. Vielschichtig und tiefgehend ist dieses Gesamtkonzept. Für denjenigen, der „bloß“ Interesse an Mozarts selten gespieltem Frühwerk „La finta semplice“ oder den noch seltener zu hörenden späten Fragmenten „L´oca del Cairo“ und „Lo sposo deluso“ hat, ist „Irrfahrten“ ein verwirrendes Erlebnis. Steht doch wesentlich mehr Schlömer als Mozart im Zentrum des Bühnengeschehens.

1. Teil: La finta semplice

Mit der Einführung durch die Schauspielerin Marianne Hamre als Moderatorin „Auctoritas“ beginnt die komische Oper „La finta semplice“, die Mozart als Zwölfjähriger komponierte. Die Bühne besteht aus zwei weißen, schräg aufgestellten Dreiecksflächen, die Sänger erscheinen puppenhaft choreografiert mit recht lächerlichen Perücken, was das Buffoneske der Oper bedient. Musikalische Höhepunkte bietet Malin Hartelius als Rosina zusammen mit Michael Hofstetter am Pult der Camerata Salzburg. Wobei hier die Konzentrationsfähigkeit des Publikums auf die Musik durch die tänzerische „Gegeninterprataion“ der von Schlömer geschaffenen zweiten Rosina (Anna Tenta) auf die Probe gestellt wird. Mit großem körperlichem Einsatz bewältigt das junge Sängerensemble alle szenischen Hürden und überzeugt trotz widriger akustischer Bedingungen im Residenzhof.

2. Teil: Abendempfindung

Mit Schals und Decken gegen die frostigen Temperaturen und die extrem unbequemen Tribünensitze gewappnet, erscheint das Publikum am folgenden Abend zum zweiten Teil. „Abendempfindung“ ist ein Pasticcio aus Mozartwerken und aus seinen Briefen, bearbeitet von Joachim Schlömer und Bettina Auer. Auf der relativ leeren und blau beleuchteten Bühne agieren die Sängerin Ann Murray, die Schauspielerin Marianne Hamre, der Tänzer Graham Smith und Solisten des Chors der Ludwigsburger Schlossfestspiele, allesamt in nicht gerade kleidsamen ockerfarbenen Kostümen und wasserstoffblonden Perücken. Im Graben wieder die Camerata Salzburg, verstärkt durch die beiden Glasharmonika-Spieler Sascha Reckert und Alexander Marguerre. Ihre Darbietungen liefern neben Ann Murrays Auftritten akustische Höhepunkte.

Optisch Beeindruckend sind die Videoeinspielungen, die in täuschender Echtheit die Protagonisten vervielfältigen und mit sich spielen lassen. Das große Solo von Graham Smith ist eine tänzerische Glanzleistung, nur sein späteres ausgiebiges Bahnenschwimmen im extra eingelassenen Becken wird zum plätschernden Störfaktor für die Musik. Überhaupt liebt es Schlömer, die Musik als Untermalung für gesprochenen Dialog und szenische Effekte zu benutzen. Die Innigkeit, mit der Ann Murray Mozarts „Titelsong“ mehrmals interpretiert, ob begleitet von Stefan Rath an der Laute oder von Thomas Leininger am Hammerflügel ermöglicht dann wieder puren Musikgenuss.

3. Teil: Rex tremendus

In „Rex tremendus“ wird es dann richtig chaotisch. Marianne Hamre versucht im „Boxkampf- Ansager-Stil“ die Protagonisten der Opernfragmente „Lo sposo deluso“ und „L´oca del Cairo“ vorzustellen, von einer Handlung kann man aber nichts feststellen. So nimmt man den ersten Teil eben als Abfolge von Arien und Ensembles junger, überdurchschnittlicher Sänger in schrägen Alltagsklamotten, die übrigens auch das auf der Bühne platzierte Orchester trägt. In ihren Doppelrollen sind diesmal der Bassbariton Josef Wagner, der Tenor Matthias Klink und die Mezzosopranistin Marisa Martins hervorzuheben. Nicht gerade genial ist der Einfall, Ann Murray und ihren Begleiter am Hammerflügel in einen Glaskasten auf der Bühne einzusperren und sie als bewussten Störfaktor für das Bühnengeschehen immer wieder Liedanfänge singen zu lassen.

Nach der Pause platziert sich das Orchester in kammermusikalischen Gruppen auf der Bühne, sechs Tänzer erscheinen und improvisieren innerhalb ihrer Kreidekreise zu den Fragmenten Mozartscher Kammermusik. Eine „meditative Reise“ soll es sein – auf Grund der Eintönigkeit und immer wiederkehrenden Bewegungsabläufe wird es eher zum Prüfstein für den etwas genervten Zuschauer. Die angekündigte Auflösung und Rückkehr zum „reinen Klang“ vollzieht sich glücklicherweise doch noch: Ann Murray singt noch einmal die „Abendempfindung“,  der 16-stimmige Chor der Ludwigsburger Schlossfestspiele gibt die letzten Sätze von Mozarts Requiem mit  lupenreiner, durchsichtiger Tongebung. Amen, Ende – zunächst mäßiger dann doch noch herzlicher Applaus. Schließlich sind Festspiele, und man hat viel Geld bezahlt! (if)


Fotos: © Sebastian Hoppe