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Fakten zur Aufführung 

EUGEN ONEGIN
(Peter Tschaikowski)
1. August 2007
(Premiere: 29.7.07)

Salzburger Festspiele

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Pure Leidenschaft im Prekariats-Gewand

Ein großer Mann sitzt in Hut und Mantel vor dem laufenden Schwarzweißfernseher und starrt auf den Bildschirm. Er zeigt die Sicht aus dem Ende eines fahrenden Zuges auf die verschwindenden Schienen. Zu Beginn jeden Aktes macht Regisseurin Andrea Breth mit diesem Bild schon Vieles deutlich: dass Onegin resigniert zurückschaut, dass alle Überlegungen, ob irgendwo eine Weiche hätte anders gestellt werden können müßig sind, dass das Leben weiter geht - ohne Glück für ihn.
 
Die riesige Bühne des großen Festspielhauses ist von Martin Zehetgruber mit großen dunklen Türen versehen worden, die je nach Drehung den Weg nach draußen auf das Kornfeld oder den Wald um das Larinsche Gut öffnen, oder aber Einblicke in das heruntergekommene Interieur mit verschlissenen Polstermöbeln und Wasserpfützen auf dem Boden geben. Tatjanas Zimmer, in dem sie ihren Brief auf einer alten Schreibmaschine tippt, ist ein kalter, gläserner Veranda-Käfig, eine ähnliche Umgebung findet sich am Schluss wieder in Fürst Gremins Palast.
 
Düster und marode ist die Stimmung, unterstrichen durch die eher ärmlichen Kostüme der Darsteller. Doch für die Emotionen, um die es in Tschaikowskys Werk geht, ist das kein Hindernis - im Gegenteil. Mit wunderbarer Liebe zum Detail und feiner Zeichnung der Charaktere können alle Sänger in dieser Produktion ihre Rollen hervorragend gestalten. Echte Menschen mit nachvollziehbaren Gefühlen und Problemen stehen da auf der Bühne und erfüllen zusammen mit dem furios dirigierenden Daniel Barenboim und den Wiener Philharmonikern auch musikalisch alle Hoffnungen auf ein herausragendes Opernerlebnis.

Der Schwede Peter Mattei spielt Onegin als coolen Macho mit Sonnenbrille und klimperndem Schlüsselbund und doch mit einnehmender Eleganz und Grandezza. Seine imposante Erscheinung vermittelt Stärke und auch stimmlich ist er souverän, wenn auch manchmal nicht ganz lupenrein in der Intonation. Der Kanadier Joseph Kaiser ist ein sensationeller Lensky, dessen große Arie ohne jegliches Pathos zutiefst berührt. Anna Samuil bewegt und überzeugt als mädchenhafte Tatjana mit großer Klangschönheit und auch die anderen Solisten sind ideal besetzt.

Daniel Barenboim legt sich in den dramatischen Passagen zwar bisweilen etwas zu heftig ins Zeug, sein Stöhnen vor den aufwühlenden dramatischen Passagen ist auch in den hinteren Reihen noch gut zu hören, hier wäre es für die Verständlichkeit der Sänger wünschenswerter gewesen, das Orchester etwas zurückzunehmen, andererseits ist es ein Genuss, Tschaikowsky einmal derart entfesselt zu hören zu bekommen. So werden auch am Schluss Orchester wie Solisten auf der Bühne gleichermaßen bejubelt, sichtlich ergriffene Besucher bekunden noch im Hinausgehen, dass ein zweiter Besuch dieses Onegins durchaus erwogen werden sollte - glücklich der, dessen Geldbeutel das ermöglicht. (if)


Fotos: © Bernd Uhlig