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Fakten zur Aufführung 

SALOME
(Richard Strauss)
7. Oktober 2009
(Premiere: 7. Juni 2009)

Saarländisches Staatstheater


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Liebe tötet

Ja, Reading Goal und De profundis waren später. Und Sarah Bernhardt, für die Oscar Wilde seinen Einakter schrieb, einer femme fatale à la Kokoschka sehr viel ähnlicher als einem böse gemachten Kind, das durch jahrelangen Missbrauch kaum mehr fähig ist zu ungehemmter Motorik, geschweige denn zu einem leichtfüßigen Tanz der sieben Schleier. Erhaltene Fotografien, der Dandy als orientalische Märchenprinzessin, die den Eindruck erwecken könnten, Wilde sehe sich in der Frau jenseits der bürgerlichen Moral verstanden, die archaischen Rachegelüsten nachgibt. Jochanaan, der sinnenfeindliche Antipode.

Die Saarbrücker Regie von Christopher Alden sieht und zeigt auf beglückende und intellektuell verzaubernde Weise den weitergehenden, teils un-, teils unterbewussten biographischen Anteil an der Umsetzung des biblischen Plots. Wilde wie Herodes praktizierender Päderast, dem erotischen Zwischenreich der Adoleszenz verfallen, sein böses Kind heißt Alfred Douglas. In Folge der Intrigen dessen irischen, unerbittlich katholischen Vaters fünf Jahre Zwangsarbeit im Zuchthaus, und kein einziger Brief wird von dem angebeteten Jungmann beantwortet. Es braucht keines Beils, um die Todesstrafe zu erleiden.

Regisseur Alden geht über diesen Parallelismus ex eventu weit hinaus in seiner beeindruckend vielschichtigen Interpretation. Ein unbarmherzig hoher Saal in viktorianischer Prüderie, selbst der Stuck rund um den nüchternen Lüster minimalistisch, schmucklose Holzwände, denen nicht einmal Kassetten Profil verleihen können. Wildes unwohl gesonnene Umwelt. Ein Esstisch, der Menschen auf Distanz halten soll, der zum Altar der Männerliebe Jochanaans wird. Viele Stühle, auf denen die Protagonisten wie auf einer Bank in einem Provinzbahnhof darauf warten, ihren inszenierten Einsatz in krachlederner Männerkumpanei abzuspulen. Das Bühnenbild von Charles Edwards absolut kohärent mit der Inszenierung. Wie die schlüssigen Kostüme von Doey Lüthi. Herodes, der Lederhosen tragende Machtmann mit jovialem, testosterongesteuertem F. J. Strauß-Gehabe, sich des augenzwinkernden Einverständnisses seiner Geschlechts- und Triebgenossen sicher. Steckte er in einem Anzug, ein Berlusconi. Herodias, die alternde Ehefrau, die lieber weg sieht als für immer samt Tochter weg geht. Ein Teppich, unter dem die nur äußerlich prüde Gesellschaft weg sperrt, was sie nicht in ihr Toleranzschema einzufügen bereit ist.

Denn Jochanaan liebt Narraboth. Der Glücksgriff dieser Inszenierung. Wenn er ihn auf dem Tisch wäscht, der Täufer mit der Blechkanne, voller Zärtlichkeit und Verlangen, im Duett mit Salome singt, dann verleiht sie (und damit ihm und Wilde) den Gefühlen der Männerliebe Ausdruck. Die Sünde, die der fromme Mann abwaschen möchte, ist die der Frauenliebe. Jochanaans Text. Die unerfüllte, je einseitige Menage à trois (denn Narraboth liebt Salome) endet für alle drei Beteiligten tödlich.

Alden zeigt die Dichotomie bürgerlicher Moral: Hier die sublim geächtete Liebe von Mann zu Mann, dort die mörderische Kultur des Wegsehens und Schweigens bei Kindsmissbrauch und Inzest.

Seine exzellente Personenführung eröffnet den Protagonisten alle Möglichkeiten zu einer in Beschlag nehmenden Intensität und Präsenz. Stimmlich überragend in einem guten Team an diesem Abend Olafur Sigurdarson in der Rolle des Jochanaan. Der isländische Bariton mit einer weit ausgreifenden, technisch brillanten Stimme und einer unverwechselbaren, eingehend-ansprechenden Farbe. Valery Suty, Sopranistin aus Frankreich, in der Rolle der Salome. Wenn sie während des Schleiertanzes Ball spielt, um mit Onkel Herodes den Raum zu verlassen und jeder weiß, was jetzt geschehen wird, wenn sie den Spielball, zu dem das Haupt des Täufers wurde, in Händen hält, erzeugt sie Abgründigkeit und Schaudern. Brillant in den hohen Passagen, die ihrer differenzierten Stimmkultur entgegen kommen. Rudolf Schasching spielt und singt den Herodes äußerst pointiert, mit Witz und Verve. Dagmar Pecková in der Rolle der Herodias verkörpert überzeugend die Grande Dame, die lieber Patiencen legt als ihrer Tochter in deren Jahre langen Passion bei zu stehen. Die dramatische Stimme sehr russische-orthodoxe Schule. Glänzend aufgelegt Jevgenij Taruntsov in der Rolle des Narraboth. Sein lyrischer Tenor gibt dem unglücklich Liebenden die feine Färbung, ohne dabei von der dionysischen, wuchtigen Orchestermusik übertönt zu werden. Schauspielerisch wie gewohnt auf höchstem Niveau. Der Ukrainer erweckt Assoziationen zu Bildern zwischen Abnahme des Leichnams Jesu und Rembrands Anatomie des Dr. Tulp. Schön der Einfall Aldens, die anmutige und stimmschöne Judith Braun in der Hosenrolle des Pagen auf Narraboth fixiert sein zu lassen. Panta rhei. Von den kleinen Rollen hervorzuheben Hiroshi Matsui, dessen fulminanter Bass den ersten Soldaten zu einem großen Hörerlebnis macht.

Das Orchester unter Leitung des ersten Kapellmeisters Andreas Wolf zwischen Ekstase und Apokalypse, orgiastischem Dionysos und sanftem Christus. Die schwere Balance zwischen Orchester und Stimmen, sie gelingt fast ausnahmslos.

Das Publikum: Für einen Mittwoch Abend erstaunlich gute Auslastung des Hauses. Im Unterschied zur Premiere in der vergangenen Saison keine anhaltenden Buhrufe. Ob es nur daran lag, dass das Regieteam natürlich nicht anwesend war? Vielleicht hatte sich in Saarbrücken herum gesprochen, dass viel Geist in dieser Inszenierung steckt. Buhrufe könnten schnell auf die sie Äußernden zurück fallen. So wie so ist das Saarbrücker Publikum eigentlich als ebenso weltoffen und charmant wie ihre Stadt bekannt.

Frank Herkommer

 






 
Fotos: Staatstheater Saarbrücken