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Fakten zur Aufführung 

LOHENGRIN
(Richard Wagner)
16. Mai 2008
(Premiere: 3. Mai 2008)

Staatstheater Saarbrücken


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Des Flügels Lähmung

Eine doppelte Geschichte erzählt Michael Sturm in seiner subtilen Saarbrücker Inszenierung des Lohengrin. Die Geschichte der Hoffnung auf staatliche Einheit, als deren Protagonist sich Wagner selbst einordnet, wenn Sturm seinen Lohengrin mit dem unverwechselbaren Barett auftreten lässt. Eine riesige Kassettentür, die ebenso Verfallszeichen trägt wie die Tapeten eines überhohen Raumes, der metabasierend zum gotischen Dom dem aufkommenden Citoyen zeigen soll, wie klein er im Raum des Politischen sei. Es braucht schon die angelegten Sturmleitern, wenn das Bürgertum hier für erneuerte, moderne Verhältnisse sorgen will. Ein zivil auftretender Bürgerkönig Heinrich, der die konstitutionelle Monarchie antizipiert und zur Speerspitze des Einheitsstrebens avanciert; die reaktionären und usurpatorischen Gefährdungen um Telramund und Ortrud, die in dieser Inszenierung historisch nicht zwangsläufig im Faschismus enden mussten, wie Heinrichs wieder aufgesetzte Krone im Schlussteil belegt. Stefan Rieckhoff (Kostüme und Bühne) leistet vorzügliche Arbeit mit ironisierenden Anteilen, wenn er die kitschigen Hochzeitsgeschenke als Jungfernkranz aufbauen lässt, wenn Knabenherzog Gottfried (erstaunlich konditionsstark und choreografisch versiert der kleine Junge Alexander Volkov) der erste Flaum in Gestalt von Schwanenfedern erwächst. Dass Elsa ihren Bruder erst wieder „haben“ kann, wenn er die Adoleszenz durchschritten hat, erscheint psychologisch stimmig. Seine Dauerpräsenz spiegelt die Dialektik von Verlust und Anwesenheit wider.

Zum zweiten erzählt Sturm die Geschlechtergeschichte als Versuch der Domestizierung des Kriegers und Revolutionärs, seiner Triebstruktur und schöpferischen Irrationalismen. Der Riesenflügel als Symbol männlicher Atavismen wird zurechtgestutzt, geometrisiert und zur austauschbaren Massenware, verfügbar und instrumentalisierbar. Sturm gelingt es, die Geschichte spannend bleiben zu lassen und die Einzelcharaktere stimmig herauszuarbeiten.

Constantin Trinks treibt das Saarländische Staatsorchester zu einer unerwartet prächtigen Wagnerinterpretation, voller Verve und Leidenschaft, einfühlsam und Gefühle transportierend, die das Publikum zu standing ovations veranlasst. Besser klingt das auch in Häusern mit großer Wagnertradition kaum.

Hiroshi Matusi singt prächtig aufgelegt mit seiner farbenreichen Stimme den König Heinrich. Janice Dixon als Elsa von Brabant beweist einmal mehr, dass sie zu den herausragenden Wagnersopranistinnen gehört. Spielstark, anrührend. Karsten Mewes in der Rolle des Telramund bestätigt, warum Bayreuth ihn gerufen hat. Hohe Technik und ausdrucksstarke Stimme. Susan Maclean unterstreicht, warum sie nach Bayreuth gehört. Schauspielerisch unglaublich ausdrucksstark, stimmlich eine Offenbarung. Mit diesen drei Protagonisten erlebt das Staatstheater Saarbrücken an diesem Abend internationale Spitzenklasse. Über einen feinen Bariton verfügt Stefan Röttig, der den Heerrufer des Königs gibt. David Mulvenna in der Rolle des Lohengrin hat eine wunderschöne Stimme, die allerdings für Forte-Höhen und deshalb Wagner weniger geeignet scheint. Eine gute Leistung auch von den vier Edlen: Jewgenij Taruntsov, Rupprecht Braun, Otto Daubner und Patrick Simper. Pablo Passante hat die Chöre (Opernchor und Extrachor des Staatstheaters, Kammerensemble Püttlingen) fein abgestimmt und zu einer überzeugenden Gesamtleistung befähigt.

Das Publikum: unglaublich jung. Unglaublich diszipliniert. Sachkundig und applausfreudig. Saarland eben.

Frank Herkommer

 






Fotos: Björn Hickmann