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Vom Getöse der Revolution ist in Joel
Lauwers' Figaro-Lesart in Saarbrücken nicht viel zu erleben; es geht vielmehr
um die Selbstbehauptung lebensfroher "Typen" in bedrängenden Situationen.
Dazu baut Louis Desire eine sich nach hinten verengende holzgetäfelte
Gruft mit wuchtigen Bilder-, Tür- und Fensterrahmen, die wechselnde Spielflächen
bieten und zugleich Abwechslung in die Abläufe bringen. Aber vor allem
- und das macht das Hauptvergnügen bei diesem Figaro aus: Lauwers und
Desire lösen die bekannten Handlungskonventionen auf und erzählen abgegriffene
Passagen neu und voller Witz: das Versteckspiel Cherubinos, die geplatzte
Hochzeitsfeier, das Hin und Her im Gartenlabyrinth. Und: die handelnden
Personen werden in ihrem schwankenden Selbstvertrauen ernstgenommen; erfüllbar
- aber es bleibt die latente Gefährdung: Marzelline hat die Aufregungen
offenbar nicht überlebt.
Unter Olaf Henzold spielt das Saarländische Staatsorchester hochmotiviert,
verkneift sich die Repertoire-Routine, passt sich den wechselnden Situationen
elastisch an und verbreitet eben das, was verkürzt als "mozartesk" hochgeschätzt
ist.
In einem rundum spielfreudigen Ensemble nutzen die Solisten die vielen
Chancen für engagiertes Singen und mitreißende Darstellung: Otto Daubner
als leicht-verlebt-verliebter Graf, Naira Glountchadze als leidend-intrigante
Gräfin, Guido Baehr als ergeben-aufsässiger Figaro, Frederique Sizaret
als pubertär-berechnender Cherubino und Peggy Steiner als emotional-vernünftige
Susanne - allesamt brillant bei Stimme, virtuos phrasierend - wie auch
die hervorragend besetzten übrigen Rollen!
Das Publikum im eigentümlich ästhetisch verwirrenden Saarbrücker Haus
- welcher Stilwille hat da gehaust? - zeigt sich angetan (trotz einiger
üblicher Irritationen ob der fehlenden Rokoko-Kostüme), genießt Musik
und Gesang! (frs) |
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