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Fakten zur Aufführung 

L'AMOUR DE LOIN
(Kaija Saariaho)
11. April 2009
(Deutsche Erstaufführung)

Volkstheater Rostock


Points of Honor                      

Musik

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Seelenbilder in Musik

Eine fast hypnotisierende Musik mit grandioser Nutzung „klassischer“ Möglichkeiten und „modernern“ Attitüden! Kaija Saariaho instrumentiert sowohl Streicher und Bläser, implementiert eine aufwendige Percussion-Gruppe, integriert elektronische Instrumente, nutzt elektroakustische Verstärkungen, spielt mit eingespielten Stimmen – bleibt dabei aber in ihrem kompositorischen Ingenium dem Prinzip der Harmonie treu, entwickelt einen frappierenden Ansatz des Klang-Aufbaus (das „Aggregat“) mit intensivem Effekt.

Diese Konstellation ermöglicht die musikalische Umsetzung der Geschichte des mittelalterlichen französischen Troubadours Jaufré Rudel, der sich in die ferne Clémence verliebt, vom mit beiden befreundeten „Pilger“ in emotional-fernwirkenden Kontakt gebracht wird, sie nach todbringender Seereise begehrend liebend trifft, und zu Clémences erfüllender Flucht in die Liebe Gottes führt.

Das Libretto von Amin Maalouf insinuiert eine Tristan-Isolde-Beziehung, ist aber nur mit der emotionalisierenden „seelenvollen“ Musik zu ertragen – und mit der sensibel deutenden Regie von Christian von Götz. Der „Pilger“ wird zur kommunikations- und identitätsstiftenden Figur, ist das alter ego der sich fern Liebenden, vermittelt, leidet und liebt mit. Das gelingt in hoch intensiven Szenen intimster Vertrautheit, in der Umsetzung komplexer seelischer Vorgänge in ästhimierendes Bühnenhandeln!

Andreas Schmidt gibt den perspektivlosen Troubadour Jaufré mit kerniger Stimme, interpretiert die vage Liebe zur geschilderten Ideal-Frau mit seinem wandlungsreichen Bariton, und demonstriert gebrochene End-Hoffnungen mit hoher Konzentration. Jamila Raimbekova überzeugt mit fragilem Spiel als imaginiertes Ideal von Schönheit und Liebes-Sehnsucht, verleiht der fernen Prinzessin Clémence einschmeichelnde Stimme, interpretiert die kompositorischen Vorgaben mit großer Nachhaltigkeit und beeindruckt mit kontrollierter Stimmkultur. Lucie Ceralová ist der androgyn phantasmagorisierte „Pilger“ – ein ausdrucksstarker Mezzo mit der bezwingenden Fähigkeit zu differenzierenden Zwischentönen – ein bewundernswertes Rollen-Porträt!

Die Norddeutsche Philharmonie Rostock – im Orchestergraben und rechts und links am Portal platziert – interpretieren die so hoch differenzierte Musik Saariahos unter dem engagiert leitenden Ekkehard Klemm mit leidenschaftlicher Kompetenz: Intensiver Einsatz der Instrumentengruppen korrespondiert mit den elektronischen Elementen und vermittelt in stimulierenden Crescendi und imaginierenden Piano-Passagen einen Kosmos seelen-leidender Musik.

Mike Hahne taucht das Auditorium in vernebeltes blaues Licht, rahmt die Bühne in leuchtenden Rahmen, schafft eine gestufte Szene mit perspektivisch verstärkenden Kommunikationsräumen, korrespondiert mit interpretierendem Licht mit den Intentionen der impulsiven Musik.

Das konzentriert rezipierende Publikum im Volkstheater Rostock ist beeindruckt von der Intensität des Geschehens, reagiert auf die immanente Kraft der vielschichtigen Musik und fühlt sich emotional angesprochen. Saarihos Werk – 2000 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt – in Rostock Gerard Mortier gewidmet, stößt auf große Zustimmung und erntet intensiven lang anhaltenden Applaus.

Bei aller Hochachtung bleibt allerdings die Frage, weshalb in einem skandalös spielplan-ausgedünnten Haus (Carmen als einzige Opern-Produktion!) nach all dem Desaster um die Piontek-Ablösung eine so wichtige Erstaufführung gestemmt wird – in einer Opern-Szene an der Ostsee, die nicht gerade als „dicht“ bezeichnet werden kann.

Und noch etwas: Disziplin ist wohl nicht verinnerlicht bei einem Regisseur, der sich während der Premiere mit seiner Assistentin im Zuschauerraum austauscht, als handle es sich um die Orchesterprobe. (frs)
 






 
Fotos: Volkstheater Rostock