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Fakten zur Aufführung 

IFIGENIA IN TAURIDE
(Gian Francesco de Majo)
10. Oktober 2008 (Premiere)

Teo-Otto-Theater Remscheid
Wuppertaler Bühnen


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Mythos, distanziert

Gian Francesco de Majo schrieb die Oper 1764 für die Hofoper Mannheim - die Affekte sind noch angesagt, es war die Phase der Gluck-Reformoper, doch gab es offenbar eine barocke „Postmoderne“: Das vertraute antike Drama von Euripides, auch die Goethe-Tragödie wird zur dekonstruierenden „Parodie“. Wolfgang Quetes interpretiert das Zeit-Dokument mit ironischen Versatzstücken, lässt sich auf die Gefühlswelten der Iphigenie und des Orest ein – stellt aber die skurril-karikierten Merodate und Toante dagegen -- und schafft damit eine verblüffende Konfrontation „echter“ Gefühle mit klischeehaften Parodien der antiken Tragödie. Eindrucksvoll, wie der Mythos distanziert verfremdet seine Wahrheiten präsentiert, ohne zum billigen Klamauk zu verkommen!

Manfred Kaderk ist sich offenbar des genius loci in Remscheid bewusst: Teo Otto ist der Präzeptor des kommunikations-bestimmten Bühnenbaus, definierte selbst die Forderung nach „Handlungsräumen“ – und Kaderk entwickelt genau diese Räume, in denen sich – variabel öffnend und schließend – sich ein zauberhaft doppeldeutiges Spiel entfalten kann!

Martin Braun leitet die prächtig motivierten Bergischen Symphoniker zu temporeich-variablem Zusammenspiel, vermittelt die 1764 innovativen Charakteristiken der Figuren mit konsequenter Disziplin der Instrumentengruppen und erfreut mit durchhörbarer musikalischer Brillanz.

Banu Böke gibt der verzweifelt-tragischen Ifigenia hinreißend tragische Töne, beeindruckt mit klarer gefühlsbetonter Stimme und demonstriert vollendetes barockes Singen. Cornel Frey ist ein dramatisch zerstörter Orest, stimmlich bewundernswert flexibel, kontrolliert in den eruptiven Ausbrüchen – ein authentischer Auftritt mythologischer Tragik. Elena Fink dagegen ist mit ihrem zauberhaften Sopran eine lustvoll kolorierende Tomiris, eine hinreißend parodierende Vertreterin der zweckfreien Affektenkunst, vermittelt ambivalente Leidenschaften mit lustvoller Stimmakrobatik. Thomas Schobert ist ein gravitätisch-machohafter Regent Toante, wirkt im kongenialen Zusammenspiel mit Boris Leisenheimer als brutal-karikiertem Usurpator Merodante wie die Hitler-Mussolini-Farce in Chaplins „Großem Diktator“ – köstlich, bizarr und todbringend gefährlich in der dialektischen Komik. Anastasia Krumberg ist „Iffi“ – Ifigenia als kindlich alleswissendes Mädchen, als ubiquitär auftauchendes stimmloses Wesen eine Art fröhlich Unheil stiftende Moira. Da bleibt der klangschön artikulierenden Miriam Scholz „nur“ noch die Rolle des edlen Freundes Pilades.

Schade, dass das wunderbare Remscheider Teo Otto-Theater bei der Premiere des Meisterwerks der Wuppertaler Bühnen nur spärlich besetzt ist. Offenbar bestehen viele „Bergische“ in Remscheid auf theatraler Unabhängigkeit, tun sich damit aber keinen Gefallen – sie verpassen ein großartiges Opern-Erlebnis! Die Zustimmung im Haus ist emphatisch. (frs)

 




Fotos: Schmidt/Bildautor.de