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Fakten zur Aufführung 

DIE TOTE STADT
(Erich Wolfgang Korngold)
13. Februar 2011 (Premiere)

Theater Regensburg


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Morbide Traumwelten

Korngolds Die tote Stadt von 1920 mit dem expressionistischen Libretto seines Vaters (dem damaligen „Kritikerpapst“ in Wien) nach Rodenbachs Bruges la morte ist durchaus der Freudschen Psychoanalyse verpflichtet. Doch in Regensburg erzählt der Regie führende Intendant Ernö Weil vor allem die quälend-lastende Geschichte eines morbiden Alptraums in einer dem Untergang geweihten Stadt. Die „Kirche des Vergangenen“ trifft auf die bizarre Welt der Gaukler, Komödianten und lemurenhaften Faune: Und Paul mit seiner apokryphen Leidenschaft zu Marietta, dem erträumten Ebenbild seiner verstorbenen Marie, versinkt in (selbst)zerstörende Alpträume – findet „Erlösung“ nach unbegriffener Selbsttherapie, bleibt auf der Suche nach seinem Selbst und seiner Liebe.
Karin Fritz baut auf der Drehbühne eine beklemmende Gruft, die auf den Rückseiten zu Orten bedrohlicher, gespenstischer Szenerien wird – unterstützt durch animierende Licht-Effekte (Martin Stevens). Das wirkt in dem unaufgeregt-plastischen Duktus ungemein suggestiv, wird allerdings in einer portalgroßen Video-Projektion mit Paul als Christus mit der Dornenkrone an Bedeutung überfrachtet.
Das Theater Regensburg nutzt alle vorhandenen szenischen Möglichkeiten, versetzt gar einen Teil des Schlagwerks auf eine Probebühne, von der kommunikativ aufwendig eingespielt wird.
Das Philharmonische Orchester Regensburg gelangt bei den geforderten nachgerade monströsen musikalischen Vorgaben an seine Grenzen. Tetsuro Ban gelingt mit den souverän aufspielenden Musikern eine bemerkenswerte Großtat – allerdings geraten viele Crescendi zu ruppig, stören die beherrschende „schwarze“ Grundstimmung intensiver Melancholie.
Das Regensburger Ensemble präsentiert sich als hochkompetent, stimmlich und darstellerisch: Jasmin Etezadzadeh gibt eine schier verzweifelte Haushälterin Brigitta mit ungemein sicherer und interpretationsreicher Stimme. Seymur Karimov beeindruckt als stimmstarker Pierrot mit seiner großen Bariton-Arie. Adam Kruzel als Pauls Freund Frank überzeugt ebenso wie Gesche Geier als Juliette, Misaki Ono als Lucienne, Cameron Becker als Victorin und Michael Berner als Graf Albert; Tamás Mester tanzt den Gaston mit stupendem Ausdruck. Mit Allison Oakes ist eine Marietta voller Imaginationskraft zu erleben – tänzerisch eindrucksvoll, mit flexibel-ausdrucksvollem Sopran – dramatisch sicher in den mörderischen Höhen, beschwörend lyrisch in den Piano-Passagen, überzeugend in der Legato-sicheren Mittellage.
Mit Wolfgang Schwaninger agiert ein hinreißender Sänger-Darsteller: Ein verwirrter Charakter, besessen von einer Vision, existentiell bedroht durch Mythen und Traumata – dabei von großer Stimmgestaltung; die Übergänge von heldentenoraler Dramatik zu introvertierter Verzweiflung sind bewegend und voller interpretierender Kraft!
Nicht zu vergessen die Kurz-Auftritte der Chöre: Opernchor und Cantemus-Chor der Musikschule Regensburg!
Im nachgerade zauberhaften Ambiente des Regensburger Theaters aus der napoleonischen Zeit (vier Ränge in Weiß, Rot und Gold) folgt ein überaus aufmerksames Publikum dem Geschehen gebannt, feiert am Ende Solisten, Orchester und Regieteam euphorisch! Es ist immer wieder zu betonen: Das ist die beglückende Realität des Stadttheaters als Zentrum kultureller Identität!

Franz R. Stuke

 










 Fotos: Juliane Zitzlsperger