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Fakten zur Aufführung 

OTELLO
(Giuseppe Verdi)
30. September 2006 (Premiere)

Theater Regensburg

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Lebensversehrt

Der Mohr ist auf den Bühnen längst kein Mohr mehr. Otello zeigt sich auch in Regensburg nicht als dunkelhäutiger Outcast. Dies als Verlust szenischer Glaubwürdigkeit zu empfinden, verhindert Arrigo Boitos bezwingende Dramaturgie des konsequenten Verfalls des Mannes und Giuseppe Verdis hochdramatische Musik. In der Tat gibt es wohl keine farblosere Gestalt als Otello in der nach ihm benannten Oper, interessant sind andere: der grausame Jago, die zerrissene Emilia, die kompromisslos liebende Desdemona.

Rupert Lummer tut wenig dazu, diesen Eindruck zu ändern. Er inszeniert den Koreaner Yongkap Cho als Otello im bekannten Muster. Viel Schluchzen, Toben und Verzweiflung sieht man. Überhaupt inszenieren Lummer, sein Bühnenbildner Hank Irwin Kittel und der Kostümbildner Peter Tibor Thanner die Geschichte eng an der Vorlage, selbst wenn Kittel einen faschistoiden Einheits-Marmorraum hingestellt hat und die Damen in Jackie O.-Kostümchen herumirrlichtern. Zu einer richtigen Deutung, geschweige denn Umdeutung kommt es nicht.

Ein Ausscheren aus dem Erwarteten gibt es zu Beginn in der schwierig zu inszenierenden Sturmszene und am Ende der Oper. Lummers Lösungen sind durchaus überzeugend. Im 1. Akt blickt der Chor auf eine imaginäre Leinwand und beobachtet den Krieg, den eigenen. Kriegsversehrte wie Rodrigo sitzen unter den Zuschauern, das Geschehen wühlt sie auf. Nur der Auftritt von Otello, sein „Esultate“, wirkt dazu etwas seltsam. Spielt der Film doch logischerweise in der Vergangenheit. Im Schlussbild versucht sich Otello mit Jagos Revolver zu erschießen, es gelingt ihm nicht: Jago hat die Kugeln entfernt – eine letzte grausame Tat.

Neben Siegfried gehört Otello sicher zu den am schwersten zu bändigenden Tenorpartien. Yongkap Cho schlägt sich sehr gut. Sein Tenor trumpft gewaltig auf, ohne sich für das Ende zu erschöpfen. Stentortöne schleudert er in den Raum, doch sie sind nicht stimmliche Verzweiflungsakte, sondern dramaturgische Notwendigkeiten. Christina Lamberti passt stimmlich weit besser zu dem Koreaner als optisch. Ihr Sopran hat eine große dramatische, vibratoreiche Attitüde. Im Gebet des Schlussaktes fehlen ihr noch die intimen, ganz angstvollen Klänge.

Hochdramatisch und als echter Jago präsentiert sich Adam Kruzel. Sein Credo ist eine zähnefletschende Anklage an die Dummheit, wie ein Hymnus der Gerissenen und Abgeklärten an die perfide Schlauheit. Dem Cassio von Juan Carlos Falcón fehlt es hingegen an einem entschiedenen szenischen und stimmlichen Profil. Er wirkt übermäßig glatt. Ein wenig Mühe mit Text und Rhythmus hatte der Opernchor.

Raoul Grüneis nutzte die vorletzte Opernpartitur Verdis, um Gewalten in seinem Orchester zu entfesseln, die man kaum je so zu hören bekam. Zerrissene, aufgesprungene, aufblähende und zusammensackende Klänge unterstrichen die Modernität des alten Verdi.

Im Gegensatz zur letzten Verdi-Premiere (Maskenball) am Ende der vergangenen Spielzeit blieb das Regensburger Publikum diesmal ziemlich zurückhaltend. Kaum ein Bravo frischte den Applaus auf. Hatte man über die Sommerpause das Klatschen verlernt? (tv)


Fotos: © Juliane Zitzlsperger