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Fakten zur Aufführung 

DIE KLEINSTÄDTER
(Theodor Veidl)
11. November 2005 (Premiere)

Stadttheater Regensburg

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Raus aus Krähwinkel

Seit Jahren erleben Komponisten eine Renaissance, die vor dem 2. Weltkrieg in Prag gewirkt haben. Das Interesse galt zunächst vor allem der Musik der durch den Nationalsozialismus verfolgten jüdischen und tschechischen Tonsetzer. Die Botschaft der Wiedergutmachung, die von der Aufführung von Theodor Veidls Oper „Die Kleinstädter“ am Theater Regensburg ausgeht, wäre vor 15 Jahren vielleicht noch missverstanden worden. Denn der 1885 geborene Veidl war weder Jude, noch Tscheche. Veidl war Sudetendeutscher. 1944 entfernten ihn die Nazis unter Vorwand von seinem Posten als Professor an der Prager Universität. 1946 wurde er als Deutscher in Theresienstadt interniert und verhungerte.

Unter den Zeitläufen hat Veidl als Mensch gelitten und genau das wird durch die Produktion, die im Januar vom Nationaltheater Prag übernommen wird, anerkannt. Doch zunächst musste die Oper restauriert werden. Bis auf einen Klavierauszug war nichts von ihr geblieben. Die Neuinstrumentierung durch Widmar Hader (Leiter des Sudetendeutschen Musikinstituts in Regensburg) und Andreas Willscher achtet darauf, dass kein Ölgemälde, sondern eine fein gezeichnete Graphik entsteht, die weniger psychologisierend als kommentierend das Bühnengeschehen begleitet.

In den „Kleinstädtern“ nach „Die deutschen Kleinstädter“ von August von Kotzebue erzählt der Librettist Paul Eisner von der Kleinkariertheit in Krähwinkel. Es geht um eine Hochzeit, denn Bürgermeistertochter Sabine beabsichtigt den ominösen Olmers aus der Residenzstadt zu ehelichen. Dabei besitzt der noch nicht einmal einen Titel, wie Bau-, Berg- und Weginspektorsubstitut, mit dem sich etwa der Dichterling Sperling schmückt, der Sabine als Schwiegersohn auserkoren ist.

Die Welt der Kleinstädter ist eine ohne Horizont. Der Direktor der Prager Oper und Bühnenbildner Daniel Dvorák verstellt ihn mit der Betulichkeit bunter, verschachtelter Altstadthäuschen im Keith-Haring-Stil. Auch die Tischtennisbälle mit Sehschlitzen vor den Augen verwehren den Krähwinklern den Blick nach rechts oder links. Mit übergroßen Ohren hören sie hingegen das Gras wachsen. Die zündende Regie von Ernö Weil betont das Typenhafte der Figuren. Ihre Bewegungen wirken kantig, ihr Gehabe marionettenhaft. Entwicklung erlaubt Weil einzig Sabine (koloraturen- und höhensicher: Ilonka Vöckel), die sich von einer offenbachschen Olympia zu einem echten Menschen wandelt.

Mit einer Überfülle an Ideen erzeugt die Regie ein der Musik adäquates hohes Spieltempo. Unter Raoul Grüneis am Pult des hervorragend agierenden Philharmonischen Orchesters rauscht ein toller Tag vorbei. Veidls Musik ist ein kunstvolles, eigenständiges Gemisch, das durch seine unerwarteten Wendungen überrascht und bewusst humoristisch wirkt. Sie zitiert Bekanntes von Kollegen, fällt vom schmalzigen Arien- in plappernden Konversationston, entwirft komplexe Ensembles aber auch einfache Lieder. Ein fliegender Wechsel zwischen Lustspiel- oder Operettenton und Espressivo entsteht.

Eines der ohrwurmigen Lieder stimmt Jóhann Smári Saevarsson als Bürgermeister häufig zur Ehr des Dorfhammels an. Mit Boitos Mefistofele in der letzten Saison hat der Sänger seiner Entwicklung einen Schub verpasst. Auch jetzt bewundert man seinen gut sitzenden Bass und seine charaktervolle Gestaltung. Leider achten er und der etwas blasse Jin-Ho Yoo als Olmers nicht in gleicher Weise auf Wortverständlichkeit wie Silvia Fichtl als Bürgermeisterin. Ihr angenehm warmer Alt trägt hervorragend jedes Wort zu den Hörern. Adam Kruzel als Schützenhauptmann, Brent. L. Damkier als trotteliger Sperling, Katharina E. Leitgeb und Astrid M. Hofer als grotesk zänkische Muhmen haben schon wegen ihres beachtlichen Stimmvolumens keine Probleme, gegen das Orchester zu bestehen.

Applaus gab es reichlich für diese Oper, die in der Lage wäre, eine Lücke im schmalen Komödienrepertoire des 20. Jahrhunderts zu füllen. Unbedingt nachspielen!! (tv)


Fotos: © Juliane Zitzelsberger