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Berührungslos
Es braucht wenig Mut, Beethovens Fidelio auf den Spielplan zu setzen.
Das Werk steht über seiner Zeit und gewissermaßen über allen Zeiten, gibt
es Unrecht und Hoffnung doch in jedem Menschenalter. Mut braucht es allerdings,
Fidelio zu inszenieren. Da ist dieses Ungleichgewicht zwischen komödiantischem
Marzelline/Jaquino-Ton und packender Tragödie Leonores und Florestans.
Da sind die Brutalität Pizarros und die fast unbekümmerte Helfershelfermentalität
Roccos. Diese Pole stehen sich auch in der Regensburger Inszenierung unvermittelt
gegenüber.
Die Regie von Ernö Weil ist etwas mutlos. Kriechen die Gefangenen in schmutzigen
roten Overalls mit ihrem Lied ,Oh welche Lust' zerschunden und kahl aus
ihrem Loch, wird die Diskrepanz zu Roccos Heimeligkeit zwar offensichtlich,
doch bleibt der Regisseur eine Positionierung der Welt Roccos und ein
Bild der für die Leiden Verantwortlichen schuldig. Pizarro taugt dazu
nicht, ist er doch eher als steifer Fiesling denn als gebietender Dämon
inszeniert.
Ort der Handlung ist ein Gefängnishof. Die leider kürzlich verstorbene
Bühnenbildnerin Dorin Kroll schönt seine unverputzte, leicht geneigte
Ziegelmauer nicht. Scheinwerfer und Kameras, sowie eine umlaufende eiserne
Balustrade vermitteln eine düstere Atmosphäre. Eine Festlegung auf eine
bestimmte Zeit der Handlung ist kaum möglich, wenngleich die Kostüme das
Heute andeuten. Etwas unglücklich gerät Florestans Kerkerbild, denn die
vier riesigen Ketten aus rasselfreiem Kunststoff an seinen Gliedmaßen
wirken eher albern als erschreckend.
An diesen Ketten hängend, überrascht Juuso Hemminki mit einer ausgezeichneten
Fieberarie Florestans. Der Tenor teilt seine Kräfte klug ein, interpretiert
weniger die Halluzination als die Erschöpfung Florestans und macht fast
vergessen, dass es sich hier um Beethovens vielleicht schwerstes Stück
Musik handelt. Ganz im Gegensatz dazu ist die Leonore von Gail Sullivan
eine stimmlich hochdramatische Erscheinung, der man den starken Willen
leichter abnimmt, als die Anflüge von Zweifel und Skrupel. Adam Kruzel
gibt Pizarro donnernde Bassbaritonsalven, doch kaum etwas darüber hinaus.
Trefflich Jóhann Smári Saeverssons Rocco, der die nötige Spur Schalk und
Naivität hören lässt, die Katharina E. Leitgeb als Marzelline fehlen.
Mit ihrer vibratoreichen, durchschlagenden Stimme ist sie für die Partie
der verliebten Tochter nicht die ideale Besetzung und scheint sich stimmlich
wie schauspielerisch nicht wohl zu fühlen.
Die musikalische Leitung von Alois Seidlmeier hat noch Potential. Vieles
wirkte genauestens studiert und vermittelt, etwa die Hornpartien der Ouvertüre,
die insgesamt profiliert und sauber kam. Dennoch lief manches zwischen
Bühne und Graben aus dem Ruder, fehlte dem Stück der drängende gemeinsame
Pulsschlag zwischen Orchester und Sängern.
Das Regensburger Publikum feierte die Premiere mit Ovationen. Wie hätte
es wohl reagiert, hätte man es szenisch nicht mit Samthandschuhen angefasst?
(tv)
Karten unter (0941) 507-24 24 |
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