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Fakten zur Aufführung 

CARMEN
(Georges Bizet)
6. Februar 2005
(Premiere: 3.2.05)

Theater Regensburg

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Das Recht des Stärkeren

„Carmen in Sevilla“ - Oper an Originalschauplätzen! Im Spätsommer 2004 hätte das Wirklichkeit werden sollen. Doch die mit viel PR inszenierte Aktion scheiterte an der eigenen Hybris wie am Geld. Am Theater Regensburg zeigen Françoise Terrone (Regie und Kostüme) und Philippe Godefroid (Bühne), was Carmen in Sevilla geblüht hätte.

Geschmacklos gekleidete, schwitzende Touristen durchkreuzen die Ouvertüre, hopsen in Lillas Pastias quietschbunter Kneipe mit Carmen zum Flamenco und knipsen ungerührt den finalen Mord. Originalschauplätze sind die heruntergekommenen Hinterhöfe, die verlotterten Touristenabsteigen und die verhärteten Herzen der dort lebenden Menschen. Naivität hat keine Chance, was Micaëla zu spüren bekommt, als sie anstelle der unbekannten Fabrikarbeiterin von Carmen vermöbelt wird. Carmen will ihre Konkurrentin ausschalten, denn in ihrer Welt bedeutet das Bündnis mit dem Starken alles. In Don José, dem Hüter von Recht und Gesetz, sieht sie für kurze Zeit das Starke verkörpert, solang, bis mit Escamillo der Stärkere die Bühne betritt. Don José ist der lächerliche Verlierer, der Schwächling vom Land, der die harten Gesetze der städtischen Wirklichkeit nicht begreift.

Doch auch Carmen ist eine Verliererin, vom Leben wie von den Männern missbraucht, die in ihr entweder Hexe oder Heilige, nie aber den Menschen sehen. Als kitschige Marienstatue à la Pierre e Gilles zeigt sie Terrone im 4. Akt. Kein Wunder, dass Carmen entsagt und José den Dolch selbst in die Hand drückt. Die Inszenierung steckt voller sinnreicher Details und beobachtet genau. Die Bühnenbilder zeigen ein vages Heute vor suggestiven expressionistischen Hintergründen. Nur der 3. Akt fällt leider als konventionelles Schmugglerlager in steiniger Umgebung aus dem ästhetischen Konzept.

Die Höhe der Regie erreichen die sängerischen Leistungen nur vereinzelt. José Azocar stemmt sich mit Kraft durch die Partie des Don José. Sein Tenor tremoliert erheblich und kann die lyrischen Aspekte französischer Oper kaum zur Geltung bringen. Dagegen ist die Carmen von Carmela Calvano Forte eine glückliche Wahl. Dunkle, warme Farben lassen ihren Mezzo blühen, sie bemüht sich um wortgenaue Artikulation und Interpretation. Etwas mehr Esprit und Feuer gewinnt sie vielleicht mit den Folgevorstellungen. Eine Überraschung war Matias Tosi-Socolov als Escamillo. Äußerlich ganz drahtiger Torero, ist er stimmlich ein wuchtiger Bassbariton, mit leicht kehligem, kernigem Ton, der in jeder Lage seine Durchschlagskraft behaupten kann und in der Höhe nicht verrutscht. Darin ist Katharina E. Leitgebs Micaëla nicht ganz sicher. Ihr vibratoreicher, schwerer Sopran ist gewiss nicht ideal für die Rolle, doch hat Leitgeb Einfühlungsvermögen und junge Farben genug, um sich nicht als Fehlbesetzung bezeichnen lassen zu müssen.

Ziemlich brav geriet die Orchesterleitung von Georgios Vranos. Zwar spielt das Philharmonische Orchester in guter Form, doch hält es Vranos an der kurzen Leine. Es fehlt den Tempi an Zug und Schwung und der Partitur insgesamt an Farbigkeit. Präsent und agil zeigt sich hingegen der Opernchor.

Das Publikum ist hoch aufmerksam, lässt aber Begeisterungsfähigkeit vermissen. Sogar nach den Bravourstücken bleibt es zurückhaltend. Insgesamt jedoch großer Applaus. (tv)


Fotos: © Juliane Zitzlsperger