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Fakten zur Aufführung 

L'INCORONAZIONE DI POPPEA
(Claudio Monteverdi)
25. Juni 2000


Ruhrfestspiele Recklinghausen
Produktion Maggio Musicale Fiorentiono

EROS IN AUFGEHOBENEN REALITÄTEN

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Die Ruhrfestspiele besannen sich in diesem Jahr als Europäisches Theaterfestival wieder auf die Oper. Hansgünter Heyme gelang es vom Maggio Musicale Fiorentiono Luca Ronconis ingeniöse "L'Incoronazione di Poppea" Monteverdis mit Ivor Baltons authentischer musikalischen Interpretation zu gewinnen. Zu erleben war eine faszinierend artifizielle Umsetzung barocker Opern-Realität. Neben zwei Violinen, je einer Viola, einem Cello und Bass bilden zwei Flöten den orchestralen Hintergrund für Orgel, Cembalo, Gitarre, Laute und Viola da Gamba; das perfekt einfühlsame Zusammenspiel gibt einen Klang voller Individualität und - angedeuteten - Gefühls. Ivor Bolton gelingt es, Dynamik zu steuern, Tempo zu variieren und das Bühnengeschehen intensiv zu interpretieren.
Das Ensemble des Maggio Musicale agiert hoch sensibel, Körperlichkeit stilisierend und sängerisch äußerst distinguiert. Veronica Cangemi differenziert eine liebeshungrige Poppea mit höchster Delikatesse im Auskosten der stimmlichen Möglichkeiten. Dem Nero Gabriella Sborgis hätte etwas mehr Power in der Intonation gut getan; doch gelang Giorgio Surian ein Seneca derart kraftvoll-volltönend, dass niemals der Einruck des verunsicherten Philosophen entstand. Als Amore brillierte Stefania Donzelli; Monica Bacelli zelebrierte Ottavias Lamento voller Leiden mit bezwingendem Legato. Als Drusilla setzte Laura Cherici ein wunderschön klingendes Timbre, während der Ottone des Countertenors Michael Chance über gewohnte Effekte des nostalgischen Singens nicht hinauswies.
Als Lesart des Geschehens bieten sich die Trümmer von Cinecitta an (Bühne mit variablen Säulenresten, modernen Accessoires wie Autos, Filmstaffage: Margherita Palli), in dem sich eine alte Liebesgeschichte unter den Augen beobachtender ragazzi von heute abspielt: Realität wird aufgehoben in aktuell-beobachtenden Blick. Ob die zeitlosen Formen der Erotik in der artifiziellen Präsentation einen Beitrag zur Entdämonisierung des historischen Verbrechens leisten: wer weiß .
Doch es verblüfft schon, wenn am Schluss Nero und Poppea ihr "sinniges" Duett zum Ruhme Amors vor dem Vorhang singen: der Zerstörer Roms als liebesseliger softy? Es darf nachgefragt werden - vor allem bei einem engagierten Festival unter dem konsequenten Anspruch "Fremden-Liebe". (frs)