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Verstörend, unbequem
Fahles, graublaues Licht, Instrumente stehen herum, ein Mann tastet sich
suchend herein, testet das Mikrofon, aus dem Zuschauerraum kommen die
Musiker - eine Probensituation eben. Oder doch nicht? Jeder Zweifel daran
schwindet schnell, wenn Dominique Horwitz, im grauen Anzug mit offenem
Hemd, ins Scheinwerferlicht tritt. Rockige Sounds, fetzige Jazz- und feurige
Latinorhythmen, Heavy Metal und Rap, elektronische Klänge und Effekte
- ein neues, verstörendes Umfeld für die Songs aus der inzwischen im Stadttheaterrepertoire
verbürgerlichten und zahm gewordenen "Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht
und Kurt Weill, die bei ihrer Uraufführung 1928 in Berlin einen Theaterskandal
verursacht hatte.
Hits wie der "Ballade von der sexuellen Hörigkeit", dem Eifersuchtsduett,
dem "Anstatt-dass-Song", der "Seeräuber-Jenny", der "Ballade vom angenehmen
Leben" oder dem Morgenchoral des Peachum, um nur einige zu nennen, gibt
der Schauspieler und Chansonnier Dominique Horwitz mit extrem wandlungsfähiger
Diktion und expressiver Körpersprache, die für jeden Song einen eigenen
Ton und Gestus findet, wieder einen provokanten Touch. Aggressive Klänge,
sogar Schreie wechseln sich mit lyrisch-verträumten Tönen oder fetzig-lasziven
Interpretationen ab - Bertolt Brechts Forderung nach Verfremdung als Waffe
gegen saturierte Gleichgültigkeit wird durch die breite Palette und Nuanciertheit
der Präsentationsformen, die Dominique Horwitz wählt, mitreißend erfüllt.
Der Stilmix verliert sich nie in Beliebigkeit; vielmehr verleihen die
Arrangements von Jan-Christof Scheibe dem Programm einen experimentellen
Charakter. Wer sich dabei auf die Story der Dreigroschenoper gefreut hat,
wird allerdings enttäuscht: Dominique Horwitz und Christoph Hauptmann,
die diesen Abend zusammen mit Jan-Christof Scheibe konzipiert haben, wollen
eben gerade nicht den kanonisierten "Klassiker" Brecht nacherzählen, sondern
präsentieren die altbekannten Songs in neuer Form oder stellen sie in
neue situative Kontexte, moderiert von Dominique Horwitz, und thematisieren
auch das Musik-Machen selbst.
Zusammen mit Matthias Pogoda am Klavier, dem Gitarristen Mirko Michalzik
und dem Bassisten Johannes Huth sowie Martin Langer am Schlagzeug gestaltet
Dominique Horwitz mit den Songs der Dreigroschenoper eine fulminante Bühnenshow.
Das Publikum im vollbesetzten Ruhrfestspielhaus war hingerissen und forderte
mit rhythmischem Klatschen und Pfeifen Zugaben. (kf) |
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