Voltaire today
Zum 50. Jahrestag der Premiere von Bernsteins Voltaire-Musical „Candide“ fand dies ironische Stück aus dem Geiste französischer Aufklärung endlich auf einer französischen Bühne statt - und der deutsch-französische Kultursender arte nutzte diese Gelegenheit zu einer gelungenen TV-Präsentation.
Voltaires bitterer Spott über die „beste aller denkbaren Welten“ verlegt Regisseur Robert Carsen in unsere Gegenwart - und siehe da: Ausbeutung, Fanatismus, Krieg, individuelle Hoffnung und resigniertes Zurückziehen ins vermeintliche private Glück sind so aktuell wie je. Nur: Die Realität ist am Ende der zerstörte „blaue Planet“.
Michael Levines Bühne mit einem portalfüllenden, vervielfältigten TV-Bildschirm und demonstrativen Fernsehbildern als stimulierendem Hintergrund liefert auch gleich die kommunikative Erklärung mit.
Die glamouröse Aufführung verleugnet nicht den Spaß am Untergang: Show-Effekte beleben die Szene, emotionalisierende Gags aktivieren Spott und Hohn (Bush, Blair, Putin, Chirac und Berlusconi als clowneske Steuerer des Weltenlaufs) und die unbegriffenen „Helden“ verweisen permanent-lustvoll auf die monströsen Widrigkeiten des Jetzt.
John Axelrod kostet mit dem Ensemble Orchestral de Paris die brillanten Effekte der süffig-hintersinnigen Bernstein-Musik genussvoll aus.
Das Ensemble des Theatre de Chatelet fasziniert durch andeutungsreiches Spiel und opern-karikierender Musical-Gesang: William Burden als naiver Candide, Anna Christie als ständig missbrauchte Kunigunde, Lambert Wilson als pseudo-allwissender Pngloss, Kim Chriswell als katastrophen-erprobte Alte Frau, David Adam als jederzeit angepasster Max, Jeni Bern als lustsuchende Paquette und Johan Daszak als zynischer Vanderdendur.
Im Theatre de Chatelet begeistert sich ein animiertes Publikum am Gesehenen und Gehörten, bejubelt bei den Schlussvorhängen alle Beteiligten mit befreiendem Applaus.
Und für die arte-TV-Zuschauer bleibt der intensive Dank an Francois Roussillon, der das Bühnengeschehen zu einem artifiziell-nachhaltigen Fernseherlebnis werden lässt. Man fragt sich, warum die Dritten Programme der ARD nicht zu ähnlichen Adaptionen wichtiger Opern-Produktionen in ihren Regionen in der Lage sind! (frs)
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