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Fakten zur Aufführung 

IL MATRIMONIO SEGRETO
(Domenico Cimarosa)
23. November 2003


Teatro Massimo
(Palermo)



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Makellos

Ja, man kann, man muss wieder in die Oper in Palermo; allein der Besuch dieser riesigen Architektur lohnt, - zumal kaum Tamtam gemacht wird darum, auch kein "renovatives". Man hat innen im Repräsentationsbau sogar die Kuppelfresken matt gelassen, die Geschichte wird nicht weggetuscht wie in Deutschland. Gleich vorweg: Gehen Sie vorher oder nachher essen, denn je nach Sitzplatz bleibt Ihnen in der Pause gerade mal Zeit, im "Örtchen" vorbeizuschauen oder eine Zigarette zu rauchen über der enormen Freitreppe, die zum Prachteingang hochführt. Mehr als 15 Minuten wird nämlich zwischen den Akten nicht zugestanden, auch dann nicht, wenn diese je anderthalb Stunden dauern.

Ich war vortags im Konzert drüben im Politeamo Garibaldi, und es war ganz das gleiche. Beethoven erst, dann 15 Minuten, dann Dvorak. So vornehm die sich im Teatro Massimo treffende Gesellschaft auch immer sei, das Repräsentieren und Vorführen des neuesten Schmucks ist im Theater nicht vorgesehen und auch nicht das Glas Sekt, mit dem man sich auf die nächste Langeweile vorbereitet, die der Konvention nun einmal konveniert. Nein, nichts davon: Alles ist konzentriert auf Musik. Und wie die dann spielt! Das Orchestra del Teatro Massimo (das witzigerweise zum Einstimmen hier und da ein bisschen Mahler V. probt, auch Mahler I., und damit auf das nächste sinfonische Konzert einstimmt) ist selbst in den Hörnern nie schräg, immer vollkommen da. Und Ottavio Dantone arbeitet so geschickt wie beseelt die Anklänge an Nachfolger heraus; bisweilen klingt alles nach Rossini, dann sogar, im Finale, nach Beethoven.

Ah! denkt man, da haben die sich bedient, daher haben die das, sei's den Ton, sei's die Technik... Wunderschön auch das Spiel zwischen basso continuo und Orchestereinsatz. Hat man bei René Jacobs gelernt oder er hier? Egal.

Und die Bühne! Den hinteren Prospekt mit der breiten Sicht auf eine italienische Stadt gemalt: pastellocker, ein wenig toskanisch, man ahnt das Sienarot, und davor - wie eine Bühne auf der Bühne - das Haus, in dem die Geschichte spielt: aus Tüchern und Schiebeteilen zusammengesetzt wie aus bemaltem Sperrholz, ganz deutlich Kulisse, aber wunderbar funktionierend im einfachsten Szenenwechsel: aus Bibliothek wird Garten, in dem sich sogar über ein zuammenfahrbares Brückchen gehen lässt, es wird Schlafzimmer, wird Speisesaal mit brennenden Kerzen... die Schlichtheit und Eleganz dieses Bühnenbildner-Einfalls (Roberto Rebaudengos) erinnert an Achim Freyers Bühnenbild zum "il barbiere di Sevilla" an der Lindenoper Berlins. Allerdings frage ich mich, ob so etwas vielleicht nur in der opera buffa geht, ob es einem etwa bei Richard Strauss nicht die Ergriffenheit nähme, weil es so gänzlich unpathetisch, weil es so spielerisch ist...

Und die Stimmen! Es wird in klarstem, jederzeit verstehbarem Italienisch intoniert, kein Verschmieren gibt es, kein Pressen; lieber singt man eine Spur leiser, als dass geknödelt wird. Manuela Bisceglie gibt eine so innige, so tremololos singende und vor allem tragende Carolina, dass ich noch auf der Galerie - sehr weit weg von der Bühne - berührt bin. Der äußerst lyrische, sehr helle, allerdings nicht strahlende Tenor Enzo di Matteos... und überhaupt, das ganze Ensemble: Elena Rossi, Lorena Scarlta, Fabio Prevati, Andrea Giovannini. Na gut, vielleicht wird der Alte ein wenig zu bufforesk gemimt. Aber Quatsch, das ist Beckmesserei. Ja, dies ist eine höchst traditionelle Aufführung, kein Regietheater, kein neuer Interpretationsansatz, einfach nur Oper wie Kintopp, fürs Herz, für die Ohren, einfach zur Freude dargebracht. Nicht zum Amusement, nein, zur Freude. Und: Makellos.

Und doch gibt es ein ABER: Ach, daran muss sich der Nordeuropäer gewöhnen, dass die Leute unausgesetzt in die Musik hineinquasseln, wenn sie etwas bereden wollen. Dass sie ihre (hier sehr nötigen, der Schweiß läuft mir) Fächer so ungünstig bewegen, dass das Papier permanent am Jackettaufschlag reibt. Dass es in Plastik verschweißte Papiertaschentücher gibt. Dass die überaus freundlichen (ah! und schönen!!) Hostessen in den schmalen Gängen vorm Saal munter weiterplaudern... aber das ist der Süden. Und wenn wir ehrlich sind, dann zwingt es uns, nun ganz besonders gespitzt auf die Bühne zu lauschen. (anh)






Fotos: © Franco Lannino/Studio Camera