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Makellos
Ja, man kann, man muss wieder in die Oper in Palermo; allein der Besuch
dieser riesigen Architektur lohnt, - zumal kaum Tamtam gemacht wird darum,
auch kein "renovatives". Man hat innen im Repräsentationsbau sogar die
Kuppelfresken matt gelassen, die Geschichte wird nicht weggetuscht wie
in Deutschland. Gleich vorweg: Gehen Sie vorher oder nachher essen, denn
je nach Sitzplatz bleibt Ihnen in der Pause gerade mal Zeit, im "Örtchen"
vorbeizuschauen oder eine Zigarette zu rauchen über der enormen Freitreppe,
die zum Prachteingang hochführt. Mehr als 15 Minuten wird nämlich zwischen
den Akten nicht zugestanden, auch dann nicht, wenn diese je anderthalb
Stunden dauern.
Ich war vortags im Konzert drüben im Politeamo Garibaldi, und es war ganz
das gleiche. Beethoven erst, dann 15 Minuten, dann Dvorak. So vornehm
die sich im Teatro Massimo treffende Gesellschaft auch immer sei, das
Repräsentieren und Vorführen des neuesten Schmucks ist im Theater nicht
vorgesehen und auch nicht das Glas Sekt, mit dem man sich auf die nächste
Langeweile vorbereitet, die der Konvention nun einmal konveniert. Nein,
nichts davon: Alles ist konzentriert auf Musik. Und wie die dann spielt!
Das Orchestra del Teatro Massimo (das witzigerweise zum Einstimmen hier
und da ein bisschen Mahler V. probt, auch Mahler I., und damit auf das
nächste sinfonische Konzert einstimmt) ist selbst in den Hörnern nie schräg,
immer vollkommen da. Und Ottavio Dantone arbeitet so geschickt wie beseelt
die Anklänge an Nachfolger heraus; bisweilen klingt alles nach Rossini,
dann sogar, im Finale, nach Beethoven.
Ah! denkt man, da haben die sich bedient, daher haben die das, sei's den
Ton, sei's die Technik... Wunderschön auch das Spiel zwischen basso continuo
und Orchestereinsatz. Hat man bei René Jacobs gelernt oder er hier? Egal.
Und die Bühne! Den hinteren Prospekt mit der breiten Sicht auf eine italienische
Stadt gemalt: pastellocker, ein wenig toskanisch, man ahnt das Sienarot,
und davor - wie eine Bühne auf der Bühne - das Haus, in dem die Geschichte
spielt: aus Tüchern und Schiebeteilen zusammengesetzt wie aus bemaltem
Sperrholz, ganz deutlich Kulisse, aber wunderbar funktionierend im einfachsten
Szenenwechsel: aus Bibliothek wird Garten, in dem sich sogar über ein
zuammenfahrbares Brückchen gehen lässt, es wird Schlafzimmer, wird Speisesaal
mit brennenden Kerzen... die Schlichtheit und Eleganz dieses Bühnenbildner-Einfalls
(Roberto Rebaudengos) erinnert an Achim Freyers Bühnenbild zum "il barbiere
di Sevilla" an der Lindenoper Berlins. Allerdings frage ich mich, ob so
etwas vielleicht nur in der opera buffa geht, ob es einem etwa bei Richard
Strauss nicht die Ergriffenheit nähme, weil es so gänzlich unpathetisch,
weil es so spielerisch ist...
Und die Stimmen! Es wird in klarstem, jederzeit verstehbarem Italienisch
intoniert, kein Verschmieren gibt es, kein Pressen; lieber singt man eine
Spur leiser, als dass geknödelt wird. Manuela Bisceglie gibt eine so innige,
so tremololos singende und vor allem tragende Carolina, dass ich noch
auf der Galerie - sehr weit weg von der Bühne - berührt bin. Der äußerst
lyrische, sehr helle, allerdings nicht strahlende Tenor Enzo di Matteos...
und überhaupt, das ganze Ensemble: Elena Rossi, Lorena Scarlta, Fabio
Prevati, Andrea Giovannini. Na gut, vielleicht wird der Alte ein wenig
zu bufforesk gemimt. Aber Quatsch, das ist Beckmesserei. Ja, dies ist
eine höchst traditionelle Aufführung, kein Regietheater, kein neuer Interpretationsansatz,
einfach nur Oper wie Kintopp, fürs Herz, für die Ohren, einfach zur Freude
dargebracht. Nicht zum Amusement, nein, zur Freude. Und: Makellos.
Und doch gibt es ein ABER: Ach, daran muss sich der Nordeuropäer gewöhnen,
dass die Leute unausgesetzt in die Musik hineinquasseln, wenn sie etwas
bereden wollen. Dass sie ihre (hier sehr nötigen, der Schweiß läuft mir)
Fächer so ungünstig bewegen, dass das Papier permanent am Jackettaufschlag
reibt. Dass es in Plastik verschweißte Papiertaschentücher gibt. Dass
die überaus freundlichen (ah! und schönen!!) Hostessen in den schmalen
Gängen vorm Saal munter weiterplaudern... aber das ist der Süden. Und
wenn wir ehrlich sind, dann zwingt es uns, nun ganz besonders gespitzt
auf die Bühne zu lauschen. (anh) |
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