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Fakten zur Aufführung 

TANNHÄUSER
(Richard Wagner)
15. Juni 2008 (Premiere)

Theater Osnabrück


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Pseudo-Mythen der Liedertafel

Sie schwadronieren von „Heil“, von „Erlösung“, von „furchtbaren Verbrechen“ – aber sie sind verklemmte Spießer mit verschwiemelten Wertvorstellungen. Und Tannhäuser ist die Karikatur eines durchgeknallten Schwerenöters, so wie Elisabeth die biedere Zeitgeist-Frau ist, die ob der Treulosigkeit des Geliebten zum Letzten greift, und Venus zur provinziellen femme fatale wird, die als exotische Figur zum Repertoire der Spießer-Gesellschaft gehört.

Carin Marquardt inszeniert ein Gesellschaftsbild der 50er Jahre – mit allen Ingredienzien von Heuchelei und demonstrativ vorgegebenen Normen – fast satirisch überzeichnet, aber durchaus pointiert. Nix ist mit Künstlerdrama, mit philosophischer Tiefe, mit psychologischem Schürfen, mit der existenziellen Suche nach „Erlösung“.

Manfred Kaderks zeittypische Bühne – eine Kleinstadt-Bar mit unzähligen leergetrunkenen Gläsern als Symbole piefkiger Orgien; ein kahler „Festsaal“ kleinbürgerlicher Rituale: Der Sängerkrieg wird zum Liedertafel-Event nach den Vorstellungen bornierter Klein-Funktionäre im Emsland (oder sonst wo im mehltau-belegten Ambiente der reaktionären Jahre). Ute Frühlings zeittypisch-fokussierende Kostüme vollenden das gesellschaftskritische Konzept.

Ivar Gilhuus ist darstellerisch ein großsprecherischer Kleinstadt-Casanova, singt ungemein textverständlich, charakterisiert die Rolle mit großem stimmlichen Einfühlungsvermögen und einer differenzierten Rom-Erzählung, hat aber unüberhörbare Probleme mit der tenoralen Gradlinigkeit. Karen Fergurson gelingt als Elisabeth im Dior-Stil eine beeindruckende Interpretation der enttäuschten Geliebten, typisch in der Artikulation mit durchwegs sauberer Intonation und flexiblem Gesang in allen Stimmlagen. Jordanka Derilovas Venus wirkt durch starkes Forcieren allzu angestrengt, gewinnt erst in der Schlussszene stimmliche Souveränität. Marco Vassalli gibt einen permanent „versetzten“ Wolfram, setzt seinen klangschönen Bariton zurückhaltend ein. Frank Färber als Feten organisierender Landgraf; Yoonki Baek und Genadijus Bergorulko verkörpern typengerecht Walther und Biterolf; Iris Marie Kotzian ist ein unbefangen-artikulierender junger Hirt. Das Ensemble des Osnabrücker Theaters überzeugt durch intensives Spiel und kompetenten Gesang, der Chor (Peter Sommerer) agiert konzentriert, singt in kollektiver Vielfalt.

Hermann Bäumer wandert mit dem Osnabrücker Symphonieorchester mit wechselnder Intensität und viel Impulsivität durch die Partitur: mal grummelt es geheimnisvoll, mal steigert es sich zu donnernden Klang-Exzessen – ob dem Inszenierungs-Konzept angemessen oder eigenwilliger Vorstellung geschuldet, es lässt sich nicht hören.

Im Osnabrücker Publikum finden sich viele Wagner-unerfahrene Zuschauer, die Freude an großer Musik und kraftvollem Gesang überwiegt; die Begeisterung ist groß. Schade, dass es Gäste gibt, die noch während der Ouvertüre und des ersten Akts eingelassen werden; eigentlich sind die „Spielregeln“ eindeutig. Prognose: Osnabrück hat ein Erfolgs-Stück im Programm! (frs)
 






Fotos: Klaus Fröhlich