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Fakten zur Aufführung 

NIMMERLANDMENSCH
(Marc Schubring)
11. Juni 2000

emma-Theater Osnabrück

BEKLEMMEND

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Dem computer-schreibenden Autisten Birger Sellin ist es mit seinen Bestsellern gelungen, die Aufmerksamkeit eines breiten Publikums auf die geheimnisvollen Motive und Verhaltensweisen der pathologisch kommunikativen Abgeschlossenheit zu lenken. Der Osnabrücker Oberspielleiter Thomas Münstermann erarbeitete mit dem Berliner Komponisten Marc Schubring eine Musiktheaterfassung, die sich an den dokumentierten inneren Reflexionsprozessen des Autisten orientiert (eine frühere Fassung realisierte Beat Wyrsch vor Jahren in Münster).
Im engen Spielraum des emma-Theaters dirigierte Gordian Teupke ein Kammerorchester sehr sensibel, im Wechsel von emotionalen Ausbrüchen und sentimentalen Phasen, die Zustandsbefindlichkeiten des verzweifelnden Manomanen musikalisch vermittelnd.
Thomas Münstermanns Regie vermied die Ästhetisierung exotischer Absonderheiten, sondern ließ sich auf die Wahrnehmungs- und Artikulationsformen des Autisten ein. Die ungewöhnlich-archetyischen Kommunikationsformen des Autisten spielen sich im Dunkeln ab; das Publikum erlebt die beklemmende Situation der Vermittlungsblockaden wie im Hirn des zugestellten Angst-Gepeinigten.
Dabei spielt zur Artikulation die sensible Methode der "gestützten Kommunikation" eine wichtige Rolle der Freisetzung drängender Botschaften, selbstveräußernd praktiziert durch die Mutter. Frank Schneiders verkörpert den kämpfenden, leidenden, verzweifelt-aggressiven, sentimental und reflektierenden Birger Sellin sprechend und singend mit intensiver Identifikation. Carin Schenk-Schmidt gibt der Mutter rationale, hoffnungsvolle, schlicht liebende Konturen. Dazu kommen ins chorisch-choreographische drängende Elemente, die im Publikum das evozierten, was seit Shakespeares Hamlet der höchste Effekt des Theaters ist: das Entdecken eigener Defekte. Persönliche Betroffenheit und Respekt vor dem sensibel vermittelten bizarren Zustand der Kommunikationsfähigkeit bestimmten die Publikumsreaktionen. Musiktheater als Auslöser von Selbstreflexion und Vermittler in Sachen "Kommunikation": das ist bemerkenswert! (frs)